Hiller, Egbert

Bewältigung von Gegenwart

Georg Katzers «instrumentales Theater» am Beispiel der «Szene für Kammerensemble»

erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2015/01 , Seite 30
Katzers «Szene für Kammerensemble» von 1975 kann als eine der frühesten Ausprägungen «instrumentalen Theaters» in der DDR gelten. Indem Katzer die überlieferten Goethe-Worte, die in Eckermanns Aufzeichnungen an ganz verschiedenen Stellen auftauchen, einer schrillen und eigenwil­ligen Montage unterzog, entlarvte er das gestörte Verhältnis des Dichterfürsten zu «mo­derner» Musik (wie es sich im Übrigen auch in Goethes Haltung zu seinem Zeitgenossen Franz Schubert dokumentierte). Aufs Korn nahm Katzer damit nicht nur die Kulturbürokratie der DDR, die unter dem Banner des «Sozialistischen Realismus» avancierte Kunstformen immer noch als «westlich-dekadent» zu diffamieren versuchte. Er wandte sich auch generell gegen die unreflektierte Anerkennung von Autoritäten, auch wenn es sich um scheinbar noch so große Geister handelt. Dass in der «Szene für Kammerensemble» gerade Goethe die unbestreitbare Autorität verkörpert, korrespondiert mit dem Seitenhieb auf den DDR-Kulturbetrieb, der das Erbe der Klassiker pflegte und hochhielt.

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