Bow 5 (hoch) 6

Werke von Kent Olofsson, Åke Parmerud, Håkan Larsson und Anders Nilsson

Verlag/Label: Phono Suecia PSCD 190
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2012/01 , Seite 86

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Booklet: 3

Die Uppsala Kammarsolister, wie sie in Schweden heißen, zählen zu den führenden Kammerensembles des Landes. Das Ensemble wurde 1978 gegründet; seine festen Mitglieder sind Konzertmeister oder Stimmführer im Uppsala Kammarorkester. Das Programm des Ensemble-Porträts umfasst Streichsextette und -quintette vier schwedischer Komponisten der mittleren Generation. Kent Olofsson, 1962 in Karlskrona (Blekinge) geboren, beackert hauptsächlich das weite Feld der Mixed Media, schrieb aber auch Bühnenstücke und Musik für Tanztheater. Sein Capriccio für Streichsextett und Elektronik (2008) mit dem Obertitel «Higgs Boson» verweist auf ein hypothetisches Etwas, dessen Existenz die Elementarteilchen-Physik annimmt, ohne sie bislang experimentell nachweisen zu können. Für den Hörer unbemerkbar, hat der Komponist im zweiten Teil des Stücks ein Partikel versenkt, das den drei kapriziö­-
sen Sätzen und der Final-Kapriole als Substanzquelle dient. Sinnfällig sind Klangfeld-Schichtungen und einander überlagernde Stimmen, in denen sich Tonfälle, die an Bartók, Webern oder György Ligeti erinnern, spielerisch brechen. Die dezent abgemischte Elektronik schmiegt sich den Streichern an oder umhüllt sie atmosphärisch.
Åke Parmerud, 1953 in Jönköping am Vätternsee geboren, machte sich als Schöpfer elektronischer Musik, im Bereich Multimedia und als Theater- und Filmkomponist einen Namen. Umso überraschender sein Streichquintett mit dem sachlichen Titel «Stråkkvintett #1» (2009). Die vier kurzen Teile ohne charakterbezeichnende Überschriften lassen die herkömmliche Satzfolge durchscheinen: rasche Außensätze, langsames Kernstück und eine Art Scherzo. Der Eingangsteil beginnt mit einer Reihe Pizzicati im Kontrabass. Sie bilden später ein Wiederholungsmuster, ohne dass ein durchgehender Puls aufkommt. Im zweiten Satz kehren sie wieder, bevor Tremolo, Glissando und Spiel am Steg die Konturen auflösen. Im Finalsatz taucht das Bass-Pizzicato eine Oktave höher wieder auf. Diese und andere Reminiszenzen an die Vordersätze kollabieren am Ende explosionsartig. Worauf sich der Kommentator, Kritiker beim «Svenska Dagbladet», folgenden Reim macht: «Das Erwartete ist unerwartet, das Unerwartete erwartet.»
«Märken för stråkkvintett» (Zeichen für Streichquintett, 2008) nennt Håkan Larsson – 1959 bei Uppsala geboren – seinen Gattungsbeitrag. Er nimmt für sich in Anspruch, «ehrlich» zu komponieren: im Rückbezug auf eine Traditionslinie, die im expressiven Modernismus des inzwischen neunzigjährigen Ingvar Lidholm wurzelt. Mit Anders Eliasson, Larssons früherem Lehrer, als bedeutsamem Zwischenglied. Woraus eine emotional aufgeladene Musik entspringt, deren motivische und harmonische Metamorphosen die Kammersolisten akribisch herausarbeiten.
Zum Abschluss verströmen die Uppsala Kammarsolister «alten Duft aus Märchenzeit». «Höst» (Herbst) nennt Anders Nilsson, 1954 in Stockholm geboren, sein nostalgisches Streichsextett von 2004 – Nachgedanken zum Andante aus Brahms’ Sextett op. 18 und Schönbergs Streichsextett «Verklärte Nacht».

Lutz Lesle