Lindberg, Magnus

Chamber Works

Trio for clarinet, cello and piano / Santa Fe Project (Konzertstück) for cello and piano / Partia for cello solo / Dos Coyotes for cello and piano

Verlag/Label: Ondine ODE 1199-2
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2012/06 , Seite 84

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 5
Booklet: 4

Der 1958 in Helsinki geborene Komponist Magnus Lindberg ist mit finnischen Musikerpersönlichkeiten wie Esa-Pekka Salonen und Kaija Saariaho befreundet. Spätestens seit er für die Geigerin Lisa Batiashvili ein sehr effektvolles Violinkonzert geschrieben hat, kennen und schätzen ihn auch in Deutschland im­mer mehr Klassikinteressierte. Tatsächlich ist das eigentliche «Instrument» des Finnen das (große) Orchester, auf dem er virtuos wie kaum ein anderer Künstler seiner Zunft spielt. Die fast schon kindliche Lust am Hervorbringen von Klängen, Farben und Effekten ist eines seiner «Markenzeichen». Diese souveräne, aus kühler Berechnung und impulsivem Strom gespeiste Beherrschung der Orchesterpalette verbindet ihn mit Richard Strauss, der auch gern mit Verve den ganz großen Klangapparat bewegte. Überhaupt spielen die Freude an Bewegung und Bewegungsenergie in Lindbergs Kompositionen eine ganz zentrale Rolle, was in Werktiteln wie KRAFT (1985), Kinetics (1989) und Joy (1990) zum Ausdruck kommt.
Umso erstaunlicher ist, dass der Finne jetzt eine Aufnahme mit Kammermusik-Werken aus der Zeit zwischen 1993 und 2008 veröffentlicht hat, für die bekanntlich andere Gesetze gelten. Doch wer den Komponisten bislang nur als Orchestervirtuosen kannte und schätzte, wird ihn auch in diesen Kammerkompositionen unschwer wie­dererkennen und lieben, auch wenn Lindberg hier mit einem kleinen, aber nicht minder effektvollen «Pinsel» malt. Das Hauptwerk der CD dürfte das Klarinettentrio aus dem Jahr 2008 sein, mit dem die Aufnahme beginnt. Es ist ein mitreißendes Stück Musik, voller Drive und herrlicher Klangfarben, dem man die Lust am Spiel förmlich ablauscht, was die drei wunderbar klar und leidenschaftlich agierenden Interpreten auch unmissverständlich zum Ausdruck bringen. Ein Charakteristikum dieser Musik ist ihre scheinbare Spontaneität, die aber nie improvisiert wirkt. Oft haben Lindbergs Stücke geradezu etwas Gestisches und Mimisches, als wäre ihnen die Lust am Kompositionsprozess und der Hervorbringung von Tönen mit eingeschrieben.
Das gilt nicht minder für das Santa Fe Project für Cello und Klavier, das Lindberg 2006 im Auftrag des Santa Fe Chamber Music Festival geschrieben hat. Nach seinen experimentellen Anfängen ist Lindberg längst zu einer – sehr expressiven und frei behandelten – Tonalität zurückgekehrt, die trotz ihrer Anklänge an die Romantik nichts Rückwärtsgewandtes hat. Und wenn der Komponist wie in seiner Partia für Solo-Cello (2001) allein schon im Titel das große Vorbild Bach beerbt, wirkt auch das nie devot oder gar anbiedernd, dafür ist die Musik des Finnen zu frei, zu souverän und (im besten Sinne!) unbekümmert, und genau das macht ihren Reiz aus.
Das vielleicht schwächste, nichts­destotrotz immer noch fesselnde Stück auf der CD ist Dos Coyotes für Cello und Klavier von 1993/2002. Die spieltechnischen Möglichkeiten, vor allem das Cello mittels Glissandi wie einen Kojoten zum «Heulen» zu bringen, werden zwar virtuos ausgekostet, sie tragen aber nicht über alle vier Sätze hinweg. Gleichwohl ist dies eine inspirierende CD in bester Klangqualität. Auch die drei bestens aufeinander abgestimmten Interpreten zeigen die Werke in bestem Licht. Bravo!

Burkhard Schäfer