Holst, Imogen

Choral Works

Benjamin Britten / Imogen Holst: Rejoice in the Lamb. A Festival Cantata

Verlag/Label: Harmonia Mundi HMU 907576
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2013/01 , Seite 79

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 4
Booklet: 5

Wer sich mit britischer Musik beschäftigt hat, dem ist Imogen Holst selbstverständlich ein Begriff – als Tochter Gustav Holsts, Assistentin Benjamin Brittens, vielfältig aktive Chorleiterin. Dass sie jedoch ihr Leben lang auch komponierte, wenn auch nicht hauptberuflich, ist bislang noch nicht einmal in ihrem Heimatland ausreichend gewürdigt worden. Daher verwundert es nicht, dass die vorliegende CD mit Chorwerken Imogen Holsts ausschließlich Ersteinspielungen beinhaltet. Sie bietet einen kompakten Überblick über die stilistische Entwicklung der Komponistin – von der frühen Messe a-Moll, die Holst mit gerade einmal zwanzig Jahren vollendete, bis zum motetten­artigen Satz Hallo my fancy, whither wilt thou go? von 1972, der als Höhepunkt in ihrem Chorschaffen gilt.
Die Messe schrieb sie noch als Studentin in der Kompositionsklasse Ralph Vaughan Williams’, und es überrascht daher nicht, dass sich zahlreiche Ähnlichkeiten zur A cappella-Messe ihres Lehrers zeigen. Doch schon in dieser Schülerarbeit ist die handwerkliche Perfektion Holsts evident sowie ihr Talent, vollkommen idiomatisch und natürlich für Singstimmen zu schreiben. Der Einfluss Vaughan Williams’ ist auch noch in A Hymne to Christ spürbar. Eine gleichermaßen erfrischende wie imponierende eigene Note in der Behandlung der Tonalität zeigt sich dann in den Three Psalms für gemischten Chor und Streicher, die Imogen Holst in ihrer Funktion als Musikdirektorin der Dartington Hall 1943 komponierte. Gemeinsam mit dem erwähnten A cappella-Satz Hallo my fancy bilden diese Psalmen den Höhepunkt der Einspielung. Auch wenn Imogen Holst sicherlich nicht als Revolutionärin bezeichnet werden kann, zeigen diese Werke doch einen fragenden, selbstkritischen Geist, traumwandlerische Stilsicherheit in Textausdeutung und Wahl des musikalischen Materials sowie, nicht zuletzt, imponierenden Sinn fürs Praktische, sodass sie eigentlich einen festen Bestandteil des Chor-Repertoires bilden sollten.
Imogen Holsts enge Bindung zu Benjamin Britten, mit dem sie befreundet war und dem sie seit 1952 als Assistentin zur Seite stand, zeigt sich sowohl in den Keats-Vertonungen Welcome Joy and Welcome Sorrow, für die sie, analog zu Brittens A Ceremony of Carols, die Besetzung für Frauenstimmen und Harfe wählte, als auch in der Orchestrierung von Brittens Kantate Rejoice in the Lamb, die sie 1952 auf Bitten des Komponisten für eine Aufführung in Aldeburgh vornahm. Beide Werke werden, genau wie die übrigen Kompositionen, mit großer Einfühlung und feinem Stilgefühl vom Chor des Clare College in Cambridge und dem instrumentalen Dmitri Ensemble interpretiert. Graham Ross, der beiden Gruppierungen als musikalischer Leiter vorsteht, erweist der Musik Imogen Holsts mit dieser Einspielung einen großen Dienst, der diese lohnenswerte Musik hoffentlich dem Vergessen, dem sie zu lange anheimgefallen war, entreißt.

Thomas Schulz