Schöllhorn, Johannes
clouds and sky
Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 4
Booklet: 4
Er habe, so Johannes Schöllhorn, eine Musik schaffen wollen, «die selbst wie ein Bild von Musik ist, als würde man Musik photographieren». Mit diesen Worten charakterisiert der Komponist sein Stück Clouds and Sky (2010), das gewichtigste und längste Werk dieser interpretatorisch hervorragenden und in Bezug auf die getroffene Werkauswahl ebenso schlüssigen wie klug konzipierten Porträt-CD.
Schöllhorn greift hier, ein Stück Musik über Musik und zugleich einen Diskurs über das Hören formend, zu einem «objet trouvé»: Er dehnt Gabriel Faurés Nocturne Nr. 12 e-Moll op. 107 (1915) auf die gut vierfache Länge aus, so dass das Original in stark verlangsamtem Tempo und unter Wahrung der formalen Proportionen, jedoch ohne Berücksichtigung seines progressiven Beschleunigungsverlaufs voller emphatischer Accelerandi erklingt. Das äußere Grundgerüst des Klavierstücks bleibt zwar unangetastet, doch verändert der Komponist die Innenseite, indem er die vorgegebene Tonalität durch harmonische Einsprengsel hybridisiert, melodische Konturen verwischt oder Details modifiziert. Vermittels einer suggestiven Instrumentierung verleiht Schöllhorn dem Fauréschen Stück zudem eine zwielichtige Atmosphäre sowie unterstrichen durch die ruhig schreitenden, miteinander verzahnten Bewegungen von Klavier und Orchester eine gewisse Strenge.
Die vielschichtigen Klangmetamorphosen erfahren durch einen sensibel agierenden Jan-Philip Schulze und das WDR Sinfonieorchester Köln unter Leitung von Peter Rundel eine fesselnde Einspielung, die das Klavier zwar klanglich leicht in den Vordergrund rückt, es aber dennoch als Bestandteil des auskomponierten Farbverlaufs erscheinen lässt.
Die drei kleiner besetzten Werke beleuchten das mit Clouds and Sky abgesteckten Feld der Verwandlung von Konturen aus anderer, jeweils kammermusikalisch formulierter Perspektive: In a self-same song (2010) umkreist Kontrabassklarinettist Gereth Davis Schöllhorns Abtasten von Gershwins Song A foggy day (1937), indem er in raschem Tempo Sechzehntelkaskaden mit dauernd wechselnder Anzahl von Noten spielt und diese in geräuschhaften Wirbeln aus Atemgeräuschen und Klangschatten verwischt. In Rota (2008) sind Davis von rhythmischen Impulsen getränkter Vortrag und die vom JACK Quartet dargebotenen, häufig perkussiv angereicherten Streicherschichten zu einem pulsierenden Wirbel verzahnt, der immer wieder in seiner Bewegung innehält und in gestische Momente aufplatzt. Die Komposition Red and blue (1999) schließlich zeigt den Komponisten bei der Erkundung metallischer Klangqualitäten, die in der Wiedergabe durch das Ensemble S nicht nur eine energetische Wirkung entfalten, sondern auch in den voller Zartheit steckenden leisen Passagen etwas von jener körperhaften Materialität preisgeben, die den verwendeten Perkussionsinstrumenten innewohnt.
Stefan Drees