Cage, John

Communication

Darmstadt Aural Documents, Box 2

Verlag/Label: NEOS 11213
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2014/01 , Seite 90

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Booklet: 5

«THIS MOMENT – NOW – THIS NOW MOMENT …» Originalaufnahmen John Cages mit Aufführungen, Lesungen oder Vorträgen gibt es einige. Diese hier aber ist wirklich etwas Besonderes: Cage liest – am Nachmittag des 9. September 1958 – seinen Text «Communication» im Rahmen seines Besuchs (zusammen mit David Tudor) bei den Darmstädter Ferienkursen, die in jenem Jahr auf Schloss Heiligenberg in Jugenheim stattfinden.
«Communication» ist der dritte Teil von drei performativen Vorträgen, die Cage unter der Überschrift «Composition as Process» auf Schloss Heiligenberg aufführte – und im Jahr 1961 in seinem Buch Silence veröffentlichte.Von den ersten beiden Vorträgen «Changes» und «Indeterminacy» existieren im Archiv des Internationalen Musikinstituts in Darmstadt leider keine Mitschnitte. Und auch bei dem vorliegenden Schalldokument fehlen die ersten Minuten. Ob dieses Material verloren gegangen ist oder gar nicht erst aufgenommen wurde, lasse sich, so Stefan Fricke im einleitenden Booklettext, heute nicht mehr sagen. Umso wichtiger, dass nun wenigstens dieser knapp einstündige Tonband-Mitschnitt auf CD veröffentlicht wurde.
Eingeflochten in die Lesung waren drei Klavieraufführungen David Tudors: Dieser spielte zum einen Christian Wolffs Komposition For Piano with Preparations sowie (zweimal) ein Stück mit dem Titel Quantitäten von Bo Nilsson. Die Ankündigungen der seinen Vortrag unterbrechenden Klavierwerke wurden von Cage strukturbildend in den Text miteingeflochten: «In the meantime, would you like to hear the very first performance of Christian Wolff’s For Piano with Preparations?» bzw. «Would you like to hear Quantitäten by Bo Nilsson whether it’s performed for the first time or not?»
Dazwischen referiert Cage seinen Text, der – wie bei ihm in jenen Jahren üblich – aus zahlreichen scheinbar belanglosen, in den Raum gestellten Fragen und einem bunten Konglomerat von (musik)-ästhetischen und (religions-) philosophischen Erwägungen, Darlegungen und Zitaten besteht. Er zitiert aus einem eigenen, im gleichen Jahr in Brüssel gehaltenen Vortrag (Track 6 auf der CD), aus einem Text von Christian Wolff (Track 8) sowie aus einem Text von Kwang-Tse, dem er präziserweise sogar noch die Quellenangabe voranstellt (Track 9).
Abgesehen von all dem transportiert diese Aufnahme die Stimmung und Aura jenes Moments: Cages mal sanft dahin eilende, dann wieder sich verzögernde oder unvermittelt pausierende Stimme, die ihn umgebenden pianistischen Aktionen Tudors, das nicht zu überhörende inszenierte Anzünden seiner Zigaretten, und nicht zuletzt das auch immer wieder hörbar anwesende Publikum mit seinen Reaktionen. Letzteres geriet einige Tage zuvor vor Heiterkeit regelrecht außer Rand und Band, als Cage und Tudor die Variations I aufführten – auch das ist auf dieser CD erfreulicherweise dokumentiert.

Thomas M. Maier