Rihm, Wolfgang

«Concerto» Dithyrambe für Streichquartett und Orchester (2000) / Sotto voce Notturno für Klavier und kleines Orchester (1999) / Sotto voce 2 Capriccio für Klavier und kleines Orchester (2007)

Verlag/Label: Kairos KAI 0012952
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2010/01 , Seite 81

Musikalische Wertung: 3
Technische Wertung: 3
Repertoirewert: 3
Booklet: 3
Gesamtwertung: 3

 

Experimente sind sicher nicht die Sache eines Wolfgang Rihm, dem gerne und teils zu Recht der Vorwurf traditions-geschwängerter Solidität gemacht wird. Verkannt wird dabei das außergewöhnliche Geschick, mit dem Rihm bekannte Gesten zu mehr als konsistenten Werken verknüpft. Deutlich wird das in seinem «Concerto» Dithyrambe für Streichquartett und Orchester aus dem Jahr 2000. Von ungeheurer Dichte und Energie ist das «Konzert» geprägt; in Anführungszeichen deshalb, weil Rihm das Arditti Quartet nicht dem Orchester gegenüberstellt, sondern es in den opulenten und sehr differenzierten Orchestersatz verwebt, dem geballte Crescendi ebenso wenig fehlen wie feine – allerdings in der Aufnahme nicht im­mer gut repräsentierte – kammermusika­lische Passagen. Seine musikalischen Vorfahren leugnet der 1952 geborene Komponist nicht; Schostakowitschs geradezu hämmernd vorantreibende Rhythmik verleibt er sich ein, differenzierte Mahler’sche Tuttis scheinen ebenfalls Pate gestanden zu haben.
Ganz anders Sotto voce Notturno für Klavier und Orchester (1999). Es entstand als Auftrag Daniel Barenboims, der für seine Mozart-Programme mit den Berliner Philharmonikern ein Werk von Rihm bestellte. Dieser, ein Bewunderer der «unvergleichlich instrumentierten Pianissimi» Barenboims, schuf ein Konzert in gedämpfter Stimmung. Süffig-tragende Kantilenen der Streicher und Bläser tauchen oft auf. Dabei bewegt sich Rihm hart an der Grenze zum bloß Gefälligen; das Zitieren altbekannter Stilmittel kippt leider ins Belanglose. Mit Sotto voce 2 Capriccio, ebenfalls für Klavier und Orchester, ist im Jahr 2007 ein «Schwesterwerk» (Rihm) entstanden. Es ist bewegter als sein Vorgänger; was bleibt, ist eine Unverbindlichkeit, die angesichts solch gelungener Werke wie dem «Concerto» Dithyrambe überrascht. Allzu ernst geht Rihm mit der Musiktradition um. Seinen Sotte voci fehlt die Distanz, dem Nebeneinander von Gefälligkeiten das irritierende Moment, der Rätselcharakter, die Ironie. So bleibt es leider beim starren Blick in den Rückspiegel. Und beim Streitfall Rihm.

Torsten Möller