Da Lontano

Giacinto Scelsi: Mantram – canto anonimo | John Cage: Solo for Sliding Trombone | Karlheinz Stockhausen: Signale zur Invasion, I | Luigi Nono: Post-praeludium per Donau

Verlag/Label: Wergo WER 67442
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2013/01 , Seite 82

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Booklet: 4

Aus der Ferne, wie der Titel von Mike Svobodas CD suggeriert, erklingt hier nichts. Im Gegenteil, der Posaunist und Tubist wählt einen energischen Einstieg. Seine Interpretation von Giacinto Scelsis Mantram – canto anonimo (1987) tönt kräftig aus den Lautsprechern. Der Klang seiner Posaune ist klar und deutlich. Scelsi schrieb das Mantram für kein bestimmtes Instrument. Svoboda trägt das Stück so einnehmend und souverän vor, dass man überzeugt davon ist, es mit einer Komposition zu tun zu haben, die von Beginn an für die Posaune konzipiert wurde.
In John Cages Stück Solo for Sliding Trombone (1957/58) tritt die Posaune ebenso als Signalinstrument in Erscheinung. Sie hat einen appellativen Charakter. Mit Hilfe elektronischer Mittel vervielfacht Svobada sein Instrument. Er erarbeitet eine Version für acht Posaunen. Eine sinnvolle Entscheidung. Die Musik erinnert an eine belebte Diskussion, an einen vitalen Austausch zwischen mehreren Gesprächspartnern, die alle unterschiedliche Meinungen vertreten, und dockt damit an Cages Intention an, in dieser Komposition eine Mixtur aus unterschiedlichen Stilen und Genres zu verarbeiten, aus Einflüssen, die aus der Beschäftigung mit populären und akademischen Musiken entstanden sind.
Karlheinz Stockhausens Signale zur Invasion, I (1993) katapultiert Svoboda auf einen Kriegsschauplatz. Das Stück gehört zum Dienstag aus LICHT und erzählt von einem Konflikt zwischen dem guten Erzengel Michael und dem bösen Luzifer. Das Duell wird nicht mit herkömmlichen Waffen ausgetragen: Trompete und Posaune kommen als Kriegswerkzeug zum Einsatz. Das Stück inszeniert Svoboda allerdings als autonomes Werk, als einen solistischen Angriff. Er kämpft gegen sich selbst.
In der folgenden Komposition schlägt der Instrumentalist einen versöhnlichen Tonfall an. Diesmal ist er an der Tuba zu hören. Auf dem Programm steht Post-prae-ludium per Donau, eine Komposition (1987) von Luigi Nono, in der auch Live-Elektronik zum Einsatz kommt. Holger Stenschke verwandelt im ersten Teil des Stücks Svobodas Tuba-Miniaturen in ein Tongeflecht, das an eine Nebelwand erinnert, die permanent im Begriff ist, ihre Gestalt zu verändern. Der zweite Abschnitt wird von einem bedrohlichen Bordunton eingeleitet: ein Bruch in dem Stück, das von zaghaften, beinahe unsicheren Klängen dominiert wird. Die Tuba legt sich behutsam über den kräftigen Ton und steht am Ende wieder ganz alleine da.

Raphael Smarzoch