Beimel, Thomas
ding / dong
Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 4
Booklet: 2
Ganz unterschiedliche Werke vereinigte Thomas Beimel unter der Überschrift «ding / dong». Das Titelstück wird der lapidaren Bezeichnung leider denn auch mehr als gerecht, handelt es sich doch um eine ebenso gefällige wie belanglose Chorkomposition als hätte Beimel auf seinen (welt-) musikalischen Streifzügen ausgerechnet die abendländische Chortradition als pseudomeditativen Singsang diffamieren wollen. Aufhorchen lässt dagegen «estampie», in dem, gespielt vom Duo SeidenStrasse, mit Guzheng und Marimba zwei sich fremdartig gegenüberstehende Instrumente zu fruchtbarer Kommunikation finden.
Aber es kommt noch besser: Die womöglich frühesten Aufzeichnungen eines Alphabets, die im nordsyrischen Ugarit gefunden wurden, inspirierten Beimel zu dem gleichnamigen Streichquartett, wobei er die uralten Keilschriften in betörende Klangzeichen transformierte. Sich dafür eines tradierten Klangkörpers zu bedienen, mutet nur vordergründig irritierend an, da die kompakte Dichte der Streicherbesetzung «Ugarit» zu großer Wirkung verhilft. Wie Rufe aus der Ferne, die als akustische Scheinriesen näher rücken und wieder entschwinden, entführt «Ugarit» in reizvoll zwischen Vertrautheit und Fremdheit ausbalancierte Klanggefilde nicht zuletzt aufgrund der konzentrierten, zumal die dynamischen Prozesse perfekt auslotenden Interpretation durch das Sonar Quartett.
Beeindruckend ist auch das breite schöpferische Spektrum Beimels, das sich in den weiteren Werken dokumentiert. Klanglich verwandt mit «Ugarit», aber nicht so stark wie das Quartett, ist sein «concertino» für Viola und Streichorchester (mit Werner Dickel, Viola, und der Wuppertaler Sinfonietta unter Reinmar Neuner). Diesem Stück liegt indes ein völlig anderer Ausgangspunkt zugrunde, nämlich aus einer schlichten musikalischen Idee mit «feiner Ironie» ein komplexes Netz aus Finten, Irrwegen und Deformationen zu konstruieren.
In «
into space
» erweist sich Sebastian Gramss einmal mehr als ebenso sensibler wie präziser Kontrabassist. Gemeint ist mit «space» nicht das Weltall, sondern der Kosmos des Einzeltons, der durch die Schwingungen von hinzugefügten Resonanzsaiten subtile Auffächerung erfährt. Unscheinbarer als «
into space
» muten «pastorale» für Oboe (Georg Bongartz) und «gaukelei» für Akkordeon (Ute Völker) an, wenngleich die fliehende Leichtigkeit in der gestischen Klangentfaltung pure Freude an der Musik um ihrer selbst willen vermittelt. Leise an existenzielle Dimensionen gemahnt dann das Abschlussstück «nacht» für Tenor und Chor auf ein Gedicht von Joseph von Eichendorff im Zugriff von Marcus Ullmann und dem Kettwiger Bach-Ensemble unter Wolfgang Käsener. «ding / dong»: eine CD mit Höhen und Tiefen, auch im Hinblick auf das Booklet. Das ist zwar hübsch assoziativ gestaltet, bietet letztlich aber nur wenig stichhaltige Informationen zur Musik.
Egbert Hiller