FURT plus

equals

Verlag/Label: psi records psi 08.02
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2010/01 , Seite 89

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 3
Repertoirewert: 5
Booklet: 4
Gesamtwertung: 4

 

Das jährliche SWR2 NEWJazz Meeting bietet traditionell, seit seiner Gründung Ende der 1960er Jahre durch Joachim Ernst Berendt, einem oder zwei Improvisationsmusikern die einmalige Chance, sich eine größere Wunschbesetzung zusammenzustellen und mit dieser unter besten Bedingungen einige Tage im SWR-Studio zu proben. Es folgen eine öffentliche Generalprobe und drei Konzerte. Eine größere Auswahl von Mitschnitten der 2005er Ausgabe sind auf der Doppel-CD fORCH und einer weiteren CD FURT plus: equals erschienen. Der der­zeitige SWR2-Jazzredakteur Reinhard Kager lädt MusikerInnen zum NEW Jazz Meeting ein, die aus ganz unterschiedlichen stilistischen Improvisationsheimaten kommen. Ihnen gemeinsam ist meist ihr Interesse am Strukturieren.
2005 schrieb der britische Komponist, Improvisator und Elektroniker Richard Barrett für seine Wunschbesetzung das Stück fOKT: eine Sammlung von 16 Improvisationsmodellen, die er für jedes Konzert anders anordnete. Damit kombinierte er die Idee der strukturierten Improvisation mit der der offenen Form. Die jeweils neu angeordneten Abschnitte gehen manchmal nahtlos ineinander über, manchmal sind sie durch harte Brüche voneinander abgesetzt. Sie wechseln in der Besetzung, im Dichtegrad und Energielevel. Mal stehen punktuelle Interaktionen im Zentrum, dann wieder Tutti-Verdichtungen, hektische Fort­spinnungen oder leisere, flächig ausgerichtete Texturen.
Barrett hat Musiker und eine Musikerin um sich gruppiert, die allesamt hervorragende Improvisatoren sind, blitzartig reagieren und interagieren, ihre je individuellen Stimmen entwickelt haben. Und dennoch, beim Hören der CDs bleibt gelegentlich ein Fragezeichen stehen. Die strukturierte, aber offene Form der Komposition scheint in sich zu kreisen, nirgendwohin zu führen, es könnte noch weiter gehen oder früher anfangen. Auch hinterlassen viele der Improvisationen, alle gut gespielt, das Gefühl, eine Abfolge von Energieniveaus zu hören, die typisch sind für freie Improvisation. Auch wenn das Konzept von Barrett, dessen Ergebnisse auf der CD equals dokumentiert sind, durchaus interessant ist.
«FURT», Richard Barrett und Paul Obermayer, agieren seit Jahren als ein Duo, das gut aufeinander eingespielt ist und dessen beide Musiker «zugleich» auf drei Computern spielen. Es klingt dabei oft, als spielten sie ein einziges Instrument. Für die Sessions im SWR-Studio spielten sie nicht nur ihre elektronischen Klänge, sondern zusätzlich mit Samples des jeweiligen Trio- (oder Duo-) Partners. Die direkte Kombination des jeweiligen Instrumentalisten bzw. Stimmperformers oder der Stimm­performerin plus deren Klanglichkeit in der Bearbeitung und Handhabung des Duos «FURT» ergibt durchaus reizvolle Ergebnisse und Mischungen von Klangfarbe und Gesten.

Nina Polaschegg