Brandstätter, Ursula

Erkenntnis durch Kunst

Theorie und Praxis der ästhetischen Transformation

Verlag/Label: Böhlau, Wien 2013, 206 Seiten, 29,90 Euro
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2014/01 , Seite 93

Ursula Brandstätter unternimmt auf den nicht einmal 200 Seiten ihres Buches den Versuch, mit Hilfe dessen, was sie als ästhetische Transformationen bezeichnet, dem Phänomen «Kunst und Erkenntnis» näher zu treten.
Die beiden ersten Kapitel sind einführend gestaltet und machen den Leser mit Grundbegriffen und der grund­legenden Literatur vertraut. Dabei widmet sich das erste Kapitel dem Begriffsfeld von «Denken und Erkennen», worin die Autorin die Tiefenschichten dessen ausarbeitet, was es heißen kann, ohne Sprache zu denken, um letztlich den Blick darauf zu eröffnen, dass in Fragen der Kunst sich Denken in Ähnlichkeiten und als eine Bewegung in offenen Netzen vollzieht.
Das zweite, hierauf aufbauende Kapitel fasst das Spannungsfeld «Kunst und Erkenntnis» selbst ins Auge. Ausgehend von einer kurzgefassten Positionierung beider Begriffe in der Geschichte der Ästhetik arbeitet Brandstätter speziell drei Aspekte heraus: die Unterscheidung zwischen der Erkenntnis von Kunst und der Erkenntnis durch Kunst wie zuletzt die Bedeutung von Übergängen und Transformationen für diese Prozesse.
Um hier eine Einschränkung vorzunehmen, thematisiert die Autorin im dritten Kapitel nun die ästhetische Transformation als einen Modellfall ästhetischer Erkenntnis, die Brandstätter anhand einiger Analysen zunächst skizziert, um dann eine Theorie derselben zu formulieren. Im Zent­rum stehen dabei jene «künstlerische Transformationen, in denen Künstler bewusst einen zunächst ‹fremden› Phänomenbereich als Ausgangspunkt für eine Übertragung in ihr eigenes künstlerisches Denken und Gestalten nehmen».
Aufbauend auf diese theoretische Setzung zeigt Brandstätter im vierten Kapitel Möglichkeiten auf, diese ästhetischen Transformationen als pä­dagogische Methode nutzbar zu machen, bevor die Autorin dann im fünften Kapitel eine umfangreiche Analyse des Programmbuchs des Festivals für neue Musik in Rümlingen in der Schweiz nutzt, um daran die theoretischen Überlegungen ihres Buches zu veranschaulichen.
Der Autorin, Professorin für Musikpädagogik an der UdK Berlin und derzeit Rektorin der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz, gelingt es mit ihrem Buch, die von ihr selbst gesteckten Ziele zu übertreffen. Sie schreitet nicht nur die Thematik «Kunst und Erkenntnis» einführend aus und skizziert einige entscheidende Eckpunkte der aktuellen Diskussion, sondern sie vermag auch, in Form einer anregenden Lektüre gebracht, Perspektiven zu eröffnen, wie an diesem spannenden wie auch spannungsvollen Forschungsgebiet weitergearbeitet werden kann.
Besonders zu loben sind vor allem Brandstätters kluge und ausgewogene Analysen verschiedener Kunstwerke, wo­bei die Autorin gleichermaßen Bildender Kunst, Architektur, Literatur und Musik gerecht wird. Als äußerst anregend erweisen sich hier ihre Überlegungen zum Festival für Neue Musik in Rümlingen, wo es Brandstätter gelingt, ihre theoretischen Überlegungen am Festivalbuch, das vor allem Konzeptmusik-Kompositionen enthält, zu versinnlichen.

Simon Haasis