Gamut Inc

Ex Machina

Kompositionen für computergesteuerte Musikmaschinen

Verlag/Label: LP, Satelita 007
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2015/01 , Seite 92

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Booklet: 4

Im Jahr 2011 fanden sich Marion Wörle a.k.a. Frau W und Maciej Sledziecki zu dem Duo GAMUT INC zusammen, um fortan gemeinsam das Zusammenspiel von elektronischer und instrumentaler Musik zu erforschen. Seit 2012 setzten sie sich im Rahmen des Projekts «Avant Avantgarde» mit den Klangexperimenten der 1920er Jahre auseinander. Daraus entstand ihre nun vor­liegende erste Veröffentlichung: Ex Machina. Vom schwarzglänzenden Co­ver der LP heben sich hell die dünnen Linien von Renaissance-Zeichnungen ab: Gestirne, Figuren, Apparate, Körperteile, Messinstrumente, Maschinen. Die klanglichen Hervorbringungen mechanischer Ma­schinen sind es auch, die auf der LP im Mittelpunkt stehen.
Mit Hilfe von Computersoftware steuern GAMUT INC verschiedene mechanische Instrumente – ein 16-töniges Glockenspiel, das Carillon, eine Physharmonika, worunter man sich eine Art automatisiertes Ak­kordeon vorstellen kann, sowie ein «BowJo», das aus drei Monochorden zusammengesetzt ist, die mit Ebows angespielt werden. Auch wenn die Instrumente, die in Zusammenarbeit mit dem Instrumentenbauer Gerhard Kern entstanden sind, vom Computer aus gesteuert werden, funktioniert die Klangerzeugung ausschließlich mechanisch und ganz ohne elektronische Zusätze. Bei dieser, wie GA­MUT INC es nennen, «retro-futuristischen» Herangehensweise ist es nur konsequent, dass Ex Machina ausschließlich auf Vinyl erhältlich ist.
Retro-futuristisch, so klingt es dann auch, wenn sich die Nadel auf den Plattenteller senkt. Strukturen, wie sie aus der elektronischen Clubmusik bekannt sind, verschränken sich auf ungewöhnliche Weise mit dem Klang der mechanischen Instrumente. Akkordeonklänge sind hörbar, hämmern aber einen tanzbaren Beat. Fein mischen sich Ebows und Glockenklänge dazu. Die Harmonien des Akkordeons verschieben sich, der Beat bricht ab. Stattdessen ist ein hintergründiges mechanisches Klopfen zu hören, dann hohes Gleißen, und wieder ein Hämmern wie von Schreibmaschinen. Die allmählichen Verschiebungen der Rhythmen und stetigen Veränderungen der Klangfarben faszinieren ebenso wie das Wissen darum, dass all diese Klänge einzig mit diesen mechanischen Instrumenten erzeugt worden sind. Laute Passagen, in denen der Rhythmus im Vordergrund steht, wechseln sich mit eher sphärischen oder sirenenartigen ab. Zum Ende der zweiten Plattenseite hin (auf beiden Plattenseiten ist eine nur geringfügig anders stilisierte Variante des vetruvianischen Menschen von Leonardo da Vinci zu sehen) wird man sanft wieder in die eigene, digitalisierte Welt entlassen, mit einer neuen Aufmerksamkeit für die Schönheit des mechanischen Klangs.

Friederike Kenneweg