Maintz, Philipp

fluchtlinie / NAHT / tourbillon / ferner, und immer ferner / wenn steine sich gen himmel stauen

Verlag/Label: Wergo, Edition Zeitgenössische Musik des Deutscher Musikrats, WER 65892
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2014/02 , Seite 90

Musikalische Wertung: 2
Technische Wertung: 4
Booklet: 3

Keine Ahnung, was die Jury dazu bewogen haben mag, die Arbeiten von Philipp Maintz für die CD-Reihe des Deutschen Musikrats auszuwählen, denn allzu glatt und irgendwie vorhersehbar ist die Musik.
Dies fällt sofort auf, wenn man dem Duktus der groß besetzten Werke mit Stimme und Orchester nachspürt: Vor dem inneren Auge sieht man einen Dirigenten, der permanent ein mäßiges Grundtempo schlägt, das gerade ruhig genug ist, um möglichst viele der im Partiturbild eindrucksvoll aussehenden 32stel-Notenwerte unterzubringen. Ausgehend von heimlichem Rhythmusverbot samt der Verweigerung von Takt-Einsen bewegt sich die Musik als mäandernde Klangspur dahin, sodass man umgehend gewisse Neue-Musik-Topoi erwartet, die dann auch nicht lange auf sich warten lassen: ein lässiges Harfen­glissando hier, ein – natürlich gegen die metrische Ordnung – wohl gesetztes Bling, ein Slap hier, ein col legno-Effekt dort, kombiniert mit einem Geräuschklang. Zwar zeigt Maintz in vielen Details, dass er gut mit dem Orchester umgehen kann (und dies hebt ihn von anderen Komponisten seiner Generation ab); doch entsteht im Ergebnis eine Mu­sik von gewisser Formelhaftigkeit, die dem Hörer durch ständiges Glitzern und Funkeln eine Sättigung mit Bedeutung vorgaukelt, sich aber beim zweiten oder dritten Hören bloß als technisch versiert gefertigte Oberfläche entpuppt.
Ohne die Unterstützung von Orchesterfarben erweist sich das Komponierte hingegen als klanglich asketische Angelegenheit: Im Streicherduo NAHT etwa stellt sich rasch das Gefühl eines trockenen, fast tabellarisch organisierten Abarbeitens von Spieltechniken und Klangkombinationen ein, und auch die beiden Orgelstücke muten über weite Strecken hinweg wie eine permutierte Aneinanderreihung verschiedener satztechnischer Modelle an, die glück­licherweise von den abwechslungsreichen Registrierungen Francesco Filideis zusammengehalten werden.
Was allerdings am stärksten auffällt, ist der nicht ganz unproblematische Umgang mit der Stimme in fluchtlinie und wenn steine sich gen himmel stauen: In beiden Fällen durchtränkt Maintz den Vokalpart so übermäßig mit bedeutungsgenerierendem Expressivo, dass allein über die Konnotationen der Stimmbehandlung ein Element von Komik Einzug in die Musik hält. Dies scheint jedoch nicht im Sinne des Komponisten zu sein, der durch die auf der Vorderseite des Booklets abgebildeten Tierkadaver wohl eher mit einem Bad-Boy-Image denn mit einer Ironisierung des musikalischen Diskurses à la Kagel kokettiert.
Unklug erscheint darüber hinaus die Entscheidung von Maintz, die Autorin für den Booklet-Essay aus dem Umfeld seines Musikverlages zu wählen, denn dadurch gleicht dieser Textbeitrag in vielen Einzelheiten den über ihn verbreiteten Promotionstexten.

Stefan Drees