Fueter, Daniel

Forelle Stanley

Kammeroper in zwei Akten / Tanzfragmente / Kitou/Gebet / Partytime / sechzehn aspersüss – hommage à sch.

Verlag/Label: Musique Suisses, MGB CTS-M 134
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2013/01 , Seite 87

Musikalische Wertung: 3
Technische Wertung: 4
Booklet: 4

Der Schweizer Daniel Fueter ist nicht gerade ein Himmelsstürmer seines Fachs, aber ein vielseitiger Komponist ohne ästhetische Berührungsängste, mit ei­nem ganz entspannten Verhältnis zur so genannten «Gebrauchsmusik». Aktuelles Beispiel: Kürzlich hat er Pink Floyds Dark Side of the Moon für Streicher und Klavier arrangiert. Eine besonders leidenschaftliche Beziehung unterhält Fue­ter zum Theater, was sich nicht nur in der Mitwirkung an über hundert Bühnenmusiken manifestiert hat, sondern auch in zahlreichen Opern und Operetten.
Seine jüngste Arbeit ist die Kammeroper Forelle Stanley (2011) nach dem gleichnamigen Theaterstück von Claudia Dey, bei dem es Fueter nach eigenem Bekunden besonders reizte, ein «im Grundgestus boulevardeskes Stück zu ‹veropern›». Wieviel Boulevard in dieser skurril-schrägen Mixtur aus Krimi, Familienhölle und Love-Story steckt, darüber kann man allerdings trefflich streiten!
Der Züricher Komponist hat dazu eine musikalisch nicht minder schräge Promenadenmischung aus Versatzstücken von U- und E-Musik zusammengebastelt, die sich gelegentlich an der Popmusik der 1980er Jahre orientiert. Die verkrachten Existenzen in diesem kanadischen Hinterwäldler-Drama bewegen sich dabei leger zwischen dissonanzhaltiger Dramatik, Minimal Music, Musical und Operette hin und her, ein permanentes tête-à-tête mit der «leichten Muse», die natürlich immer mit einem Augenzwinkern daherkommt. Genau das aber ist das Problem: Ein bisschen mehr Abgrund hätte Fueters Partitur gut getan, um uns die Befindlichkeiten dieser in jeder Hinsicht verwaisten, von einem besseren Dasein träumenden Figuren näher zu bringen. So hängt das klug und wirkungsvoll verdichtete Libretto häufig in der Luft, weil die harmlose Musik es einfach nicht tragen kann.
Einen aussagekräftigen Überblick über Fueters vielfältiges Schaffen gewähren vier ‹Zugaben› auf dieser Doppel-CD. Die Tanzfragmente für Violoncello und Klavier (2008), geschrieben für eine Dokumentation über Robert Walser, orientieren sich an der Stummfilmmusik der 1920er Jahre; Partytime (2009) ist mit zerhackten Patterns und rastloser Motorik dem urbanen Verkehrsgetümmel auf der Spur. Das hört sich mit Alt-Saxofon, Violoncello und Klavier dann ebenfalls so an wie in den 1920er Jahren erfunden.
Der erfahrene Liedbegleiter Fueter spielt in sechzehn aspersüss – hommage à sch. (1998/99) und Kitou/Gebet (2010) seine Trümpfe aus – zwei eindringliche Auseinandersetzungen mit dem Kunstlied! Bei ersterer handelt es sich um 16 aphoristische Schumann-«Übermalungen» mit Spuren von dessen Dichterliebe, sehr markant vorgetragen vom Bariton Ruben Drole; das zweisprachige Gebet auf japanische Gedichte von Yoko Tawada klingt in seiner fragmentarischen Sprunghaftigkeit am «modernsten» und lässt stimmungsvoll die frühe Schönberg-Schule anklingen.

Dirk Wieschollek