Games and Improvisations

Hommage à György Kurtág

Verlag/Label: Intakt Records, Intakt CD 203
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2012/06 , Seite 87

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Booklet: 5

Von manchen Menschen bleibt ein Foto, eine Zeichnung, ein Gedicht. Von anderen bleiben Klänge, oft in erdrückender Masse, von manchen in reduzierter, gegen Null tendierender Größe. Kurze, «entkleidete» Tonpartikel, in bewusster Vorgehensweise als Rudiment geschaffen, existieren bei einer überschaubaren Zahl von Tonschöpfern. Vielleicht ist es für die meisten Komponisten ein Trauma, hätten sie nur einen derart begrenzten Tonumfang zur Verfügung. Der ungarische Komponist György Kurtág begann 1973 damit, eine Sammlung von Spielen (Játékok) mit zwei- und vierhändigen Stücken für Klavier anzulegen, die als «work in progress» einen enzyklopädischen Charakter besitzt. Im Ursprung für Kinder gedacht, fand die Sammlung explosionsartige Vermehrung und umfasst heute mehrere hundert einzelne Stücke.
Kurtág selbst führte gemeinsam mit seiner Ehefrau Márta Stücke aus Játékok öffentlich auf und brachte sie auf Tonträger (ECM New Series 1619). Die Schweizer Pianistin Katharina We­ber ging mit Barry Guy und Balts Nill einen etwas anderen Weg, indem sie Kurtágs Musiktropfen mit eigenen Improvisationen «verlängerten», manche der kurzen Stücke um das Zehn- bis Zwanzigfache. Die ausgewählten elf Klavierstücke von Kurtág und die neun Trio-Improvisationen füllen 47 Minuten lang einen x-beliebigen Raum mit Zeit und ihrer konzentriert hörbaren Vergänglichkeit. So wird aus einem notierten Ablaufplan (= Partitur) ein struk­turiertes Klangchaos.

Klaus Hübner