Greifer: Neue Musik für 3 Zithern

Werke von Manuela Kerer, Helga Pogatschar, Burkhard Friedrich und Burkhard Stangl

Verlag/Label: Idyllic Noise IDNO 0008
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2012/06 , Seite 86

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Booklet: 5

Einst verpönte Instrumente aus dem Volksmusikmilieu haben in der zeitgenössischen Musik in den letzten Jahrzehnten immer mehr an Boden gewonnen. Neben dem Akkordeon gehört die Zither in diese Kategorie. Um eine Imageänderung zu erreichen, bedarf es üblicherweise ein paar herausragender Solisten, die neue Kompositionen in Auftrag geben, welche als innovative Anstöße nachhaltige Wirkung entfalten.
Der Österreicher Martin Mallaun (Jahrgang 1975) ist ein solcher Impulsgeber, der in jüngster Zeit mit zwei Soloalben die Zither von ihrem volksmusikalischen Staub befreit und in ganz anderem Licht gezeigt hat. Jetzt hat Mallaun mit der Italienerin Reinhilde Gamper und dem Deutschen Leopold Hurt das Zither-Trio «Greifer» ins Le­ben gerufen, das mit Neue Musik für 3 Zithern gerade sein Debütalbum vorgelegt hat. Die Einspielung lässt aufhorchen und könnte die Qualität besitzen, Ressentiments gegenüber dem alpenländischen Saiteninstrument endgültig aus der Welt zu schaffen.
Vier KomponistInnen haben Werke geliefert, die der Gruppe auf den Leib geschrieben sind. Helga Pogatschar hat mit Underground Surround ein Stück entworfen, das sich mit dem Mythos Der dritte Mann auseinandersetzt, dem Film noir aus der Nachkriegszeit, in welchem die Zither ihren letzten großen Auftritt hatte. O-Ton-Erinnerungsfetzen an den Film, Einblendungen und Kommentare überlagern sich collagenhaft mit Melodiezitaten, die dann auf fantasievolle Weise mehr und mehr ihre eigenen Wege gehen.
Manuela Kerer hat dagegen ihre fünf Miniaturen unter dem Titel solitudine vage auf Materialklängen der Zither aufgebaut. Sie kontrastiert und erhellt diese Geräuschwelt mit klaren Saitentönen, die an den Klang einer asiatischen Bogenharfe erinnern.
Gelassenheit und Ebenmaß zeichnen die beiden Werke von Burkhard Stangl aus, die er Morton Feldman gewidmet hat und die – ohne Plagiat zu sein – den Geist des amerikanischen Komponisten atmen. Die gleichförmige Ruhe der gemächlich dahinschreitenden Akkorde bringt feinste Schwebungen und Details zum Vorschein. Burkhard Friedrich verwandelt dann die Zither mittels elektrischer Verstärkung in ein Hardcore-Instrument. In der Komposition (D)evil Song lotet er in höchst origineller Manier Nachhall- und Feedback-Effekte aus und verdichtet zum Finale das Spiel mit akustischen und elektronischen Tonüberlagerungen zu ei­nem mächtigen Crescendo.
Das Trio Greifer entwirft die Vision einer neuen Klangwelt der Zither auf so vielfältige, schlüssige und überzeugende Weise, dass man sich fragt, wa­rum es bestimmte Vorbehalte eigentlich überhaupt jemals gegeben hat. Am Instrument kann es nicht gelegen haben.

Christoph Wagner