György Ligeti: Le Grand Macabre
Inszenierung: Alex Ollé und Valentina Carrasco | 164 min.
György Ligetis 1978 in Stockholm uraufgeführte Oper Le Grand Macabre, eine derbe spätmittelalterliche Bühnenerzählung von Suff, Sex und Weltuntergang, kann in der Inszenierung von Alex Ollé, einem Mitglied von La Fura dels Baus, und Valentina Carrasco seine Qualitäten prächtig zur Entfaltung bringen. Raffinierte Videoprojektionen, die mit der Bühnenrealität verschmelzen, unterstreichen den surrealen Charakter der überdrehten Geschichte und machen die Szenenwechsel zur optischen Attraktion. Die Bühne von Alfons Flores wird dominiert von einer riesigen nackten Frauenfigur, deren Körperöffnungen als Auftrittsluken und teilweise als Spielorte dienen. Aus ihrem Mund quillt die Hauptfigur Nekrotzar hervor und fällt wie ein Stück Erbrochenes langsam zu Boden, der Weiße und der Schwarze Minister lösen sich aus ihrem Hintern, während der von seiner Domina gerittene und gepeitschte Astronom Astradamors in Strapsen über die Schenkel des Frauenkörpers kriecht. Die Ästhetik des Hässlichen, der Ligeti hier in Anlehnung an die französische Décadence des späten 19. Jahrhunderts huldigt, wird in pralle, Voyeurismus und Ekel gleichermaßen mobilisierende Bilder umgesetzt und von den Kameras, die den Figuren nahe auf den Leib rücken, genussvoll dokumentiert.
Auch eine so bildkräftige Inszenierung vermag indes die starke Wirkung, die von der Musik ausgeht, nicht zu schmälern. Die grellen Bilder des Dramatikers Michel de Ghelderode, in denen sich Fleischeslust, Machtgeilheit und Apokalypse in obszöner Weise verklumpen, ließen Ligeti in die Abgründe seiner kompositorischen Fantasie hinabsteigen; seine Einfälle jagen sich, so dass zwischen dem deftigen Bühnengeschehen und der hyperaktiven Musik stets ein gespanntes Gleichgewicht herrscht. Das ist nicht zuletzt das Verdienst der Interpreten und des Dirigenten Michael Boder. Musikalisch bewegt sich die Aufzeichnung aus dem Gran Teatre del Liceu in Barcelona auf hohem Niveau. Die Sänger erledigen ihre teils horrend schwierigen Aufgaben mit Bravour; die zwischen kaltem Zynismus und witziger Karikatur schwankende musikalische Diktion wird vom Orchester mit harten, präzisen Strichen nachgezeichnet. Ein längeres Gespräch mit Michael Boder über die basic instincts von Tod und Leben und deren Spiegelung in der Musik rundet die Produktion ab.
Max Nyffeler


