Kompositionsklasse L’Art pour L’Art

Haltbar gemacht

CD und DVD-Dokumentation

Verlag/Label: NurNichtNur Berslton 1110531/ 2110531
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2012/06 , Seite 89

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 4
Booklet: 5

Ein Frischhaltebeutel mit gelbem Zipper, darin zwei CDs in farbigen Hüllen, ein kreisrundes 32-seitiges Booklet und ein bisschen buntes Folien-Konfetti. So möchte man schon aus purer Neugier entdecken, was dieser originelle Plastikbeutel beinhaltet. Und man wird nicht enttäuscht, denn die Stücke der acht jungen KompositionsschülerInnen von Astrid Schmeling und Matthias Kaul sind durchweg hörenswert, spannend und ebenso originell wie ihre Verpackung. (Zum Hörgenuss trägt hier maßgeblich bei, dass die Laienkompositionen von dem hervorragenden Profi-Ensemble L’Art pour L’Art eingespielt und vom Hessischen Rund­funk produziert wurden.)
Die sechs Mädchen und zwei Jungen im Alter zwischen neun und 14 Jahren haben in mehreren jeweils halbjährigen Kompositionskursen Erfahrungen sammeln können: Im Einzelunterricht geht man dabei vom Hören aus, vom Horchen auf alles, was einen akustisch umgibt. Diese Umweltklänge werden Ausgangspunkt für ganz konkrete musikalische Ideen.
Jonathan Mummert lässt sich in seiner Komposition Pausenbrot von dessen einzelnen Bestandteilen und deren Herkunft inspirieren, indem er sie beispielsweise bestimmten Instrumenten zuordnet oder musikalische Stereotypen verarbeitet: So wird das vermeintlich deutsche Brötchen durch einen verfremdeten Marsch symbolisiert und – im Sinne zweier Brötchenhälften – im Duo gespielt von Piccolo und Snaredrum; die irische Butter wird von einer Harfe verkörpert, der Schweizer Käse von einem Hackbrett, die italienische Salami von einem Tambourin usw.
Auch die anderen Kompositionen gehen ganz kindgerecht von konkreten Bildern und Themen aus (z. B. Die interessante Suppe, Feuriges im Büro, Luftlöcher, Sekt und Kakao), die sie sich im Laufe des Arbeitsprozesses assoziativ erschließen. Das, was dann dabei herauskommt, verbleibt aber nicht auf einer naiv imitatorischen Ebene, sondern wird in beeindruckender Weise ästhetisch transformiert. Genau hierin liegt die bemerkenswerte Qualität der Arbeit der beiden herausragenden Musikvermittler, Komponisten und Interpreten Schmeling und Kaul.
Offen bleibt jedoch die Frage nach der Methodik, die auch in der auf DVD beigefügten Video-Dokumentation von Lars Kaempf und Florian Krämer über den Aufnahmeprozess im Hessischen Rundfunk nicht befriedigend beantwortet wird: Wie verläuft der eigent­liche Kompositionsprozess, wie gelingt es Kindern, einen so hohen Grad an Komplexität in der Instrumentierung und auch der Erstellung einer Partitur zu erreichen? Spannend wäre es, die Interaktion zwischen Lehrendem und Lernendem zu beobachten, die offenbar nicht in der traditionellen Rollenzuweisung des Wissen vermittelnden Lehrers und des lernenden Schülers abläuft.
Die Bedingungen, unter denen die vorliegenden Kompositionen entstanden sind, lassen sich natürlich nicht am musikpädagogischen Alltag in der allgemein bildenden Schule messen, aber sie sind ein Stück gelebte Utopie in der Kompositionspädagogik und für jeden in diesem Bereich Tätigen sehr inspirierend.

Silke Egeler-Wittmann