Wißmann, Friederike

Hanns Eisler – Komponist, Weltbürger, Revolutionär

Verlag/Label: Edition Elke Heidenreich bei C. Bertelsmann, München 2012 | 301 Seiten
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2012/05 , Seite 91

Bemerkenswert ist vorab, dass ein solches Buch in einer populären Edition erscheinen konnte. Das spricht für die Standhaftigkeit und Durchsetzungs­fähigkeit Elke Heidenreichs, die hier als Verlegerin firmiert und Eisler (1898-1962) trinitarisch als «Komponist, Weltbürger, Revolutionär» inseriert und damit ja schon Wesentliches benennt. Der eine augenfällige Mangel des Buches sind die briefmarkengroßen Abbildungen, hinreichend für Porträts und sonstige Fotos, unbrauchbar aber bei Noten, Autografen und ähnlichem; sie werden leider unlesbar – da wurde, wie üblich, am falschen Platz gespart. Ein zweiter, noch üblicherer Mangel ist die auch bei akademischen Publikationen weitverbreitete pseudo-populistische Unsitte, Fußnoten als Endnoten irgendwohin zu verbannen, hier auf die Seiten 233 bis 244 von insgesamt 301. Abgesehen davon gibt das Buch einen informativen, erstaunlich detailreichen, differenzierten und gehaltvollen Überblick über Eislers Werk und Leben.
Ein entscheidender Kunstgriff ist es, zwar die biografische Chronologie als Leitfaden zu nehmen, aber zum einen mit Vor- und Rückgriffen das Ganze von Eislers Wirken im Blickfeld zu behalten und für die Lesenden sinnfällig zu machen, und zum andern jeweils für die einzelnen Phasen signifikante Werke ziemlich ausführlich und genau darzustellen. Diese Werke bilden sogar zwischen Galgenliedern (nach Morgenstern) und Ernsten Gesängen die jeweiligen Überschriften und verweisen schon durch diese Formanlage zu Recht darauf, dass bei KünstlerInnen die Kunst und nicht das Leben das in letzter Instanz Entscheidende ist. Gerahmt werden die Werk-Lebensphasen-Abschnitte durch eine Einleitung unter den Initialen «H. E.». Diese schildert vor allem die Familiengeschichte und -konstellation sowie die vorrangig sozial-politisch formativen Jahre bis 1917 samt den beiden ebenfalls politisch – aber nicht künstlerisch – tätigen Geschwistern Gerhart und Elfriede. Letztere nannte sich später Ruth (Fischer-Maslow) und verwandelte sich von der «ultralinken Abweichlerin» in der KPD zur Gegnerin und schließlich im US-Exil zur Denunziantin ihrer beiden Brüder – ein tragischer Lebenslauf. Den abschließenden Rahmen bildet Eislers «Anatomie einer Kugel», die sowohl auf die rundliche Gestalt von Körper wie Kopf in bildlichen Darstellungen wie auf Aspekte des Eisler-Bildes insgesamt abhebt. Ein ausführlicher Anhang ergänzt die Ausführungen des Hauptteils: sämtliche der erwähnten vertonten Texte einschließlich derer zur Deutschen Sinfonie, eine knappe biografische Übersicht zum eventuellen Nachschlagen sowie eine (etwas kurze) Bibliografie und ein Personen- und Sachregister.
Der Druck zum Populären ist eigentlich nicht fühlbar; manche sachkundigen und sachgerechten Formulierungen des durchweg glänzend geschriebenen Buches dürften freilich gerade mit der unumgänglichen Verwendung musikalischer Fachbegriffe den Rahmen eines verkürzt verstandenen Populären überschreiten. Zu hoffen wäre, dass das einer breiten Rezeption nicht im Wege steht, wie sie Autorin und Verlegerin zu wünschen ist.

Hanns-Werner Heister