Hello I’m Solisten­ensemble Kaleidoskop

Werke von Claude Vivier, Georg Friedrich Haas, Iannis Xenakis und Joseph Haydn

Verlag/Label: Ars 38 528
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2014/05 , Seite 89

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Booklet: 2

Das Solistensenemble Kaleidoskop ist vor allem ein Ensemble aus Streichern, die sich während ihres Studiums in Berlin kennenlernten und 2006 als Ensemble formierten. Damals ging es um eine andere Art des Musikmachens, um sorgfältige Vorbereitung, ausreichende Probenzeit und programmatische Zusammenhänge. Mittel der Ensembleförderung der Kulturverwaltung des Landes Berlin wurden hier sinnvoll vergeben. Überzeugend gerät nun die Debüt-CD mit Werken vernachlässigter Klassiker der Neuen Musik wie Iannis Xenakis, dem 1983 mit 35 Jahren ermordeten Claude Vivier und Georg Friedrich Haas sowie mit Joseph Haydns Sinfonie Nr. 64 A-Dur Tempora mutantur.
Die Namensfindung des Ensembles spiegelt sich in der kaleidoskopartigen Anlage von Viviers Zipangu für 13 Streicher (1980), wie der Komponist sie selbst beschrieb: «Zu Zeiten Marco Polos wurde Japan ‹Zipangu› genannt. In diesem Werk experimentiere ich mit verschiedenen Aspekten von ‹Farbe› anhand einer Melodie und versuche, die harmonischen Strukturen durch verschiedenste Bogentechniken zu ‹verschleiern›: Durch übertriebenen Bogendruck erzeugte Geräusche werden reinen Flageoletts bei normaler Verwendung gegenübergestellt, die Melodie wird so zu Farbe, wird nach und nach leichter und kehrt zurück wie ‹gereinigt› und isoliert.»
Ein sehr feines Stück, wie ein großer stiller langsamer Satz, ist das frühe spektrale Sextett für drei Violen und drei Violoncelli (1982) von Georg Friedrich Haas. Die verschieden – in Obertonfolgen, Quinten und halbierte Quarten – gestimmten Instrumente spielen leere Saiten und unterschiedliche Flageolett-Akkorde, die in ihrer Intervall-Struktur allmählich einander angenähert werden.
Der altgriechische Titel von Xenakis’ Aroura für zwölf Streicher (1971) bedeutet «anbaufähiges» oder «kulturfähiges Land» (nicht «Morgenröte»). Xenakis macht in diesem genialen Stück ungewöhnliche Spieltechniken durch exzessiven Gebrauch urbar – die Kaleidoskopianer spielen das mit einer Leichtigkeit, die die Schwierigkeiten der Hervorbringung des Klangs vergessen macht und schieren Genuss ermöglicht. Es ist überhaupt eine Eigenart des Ensembles, dass die Partituren klanganalytisch durchdrungen und ausmusiziert werden – man wird den individuellen Werken gerecht und mogelt sich über schwierige Stellen nicht hinweg.
Auf höchstem Niveau, mit raschen Tempi in den Ecksätzen stilkundig musiziert wird dann auch Haydns Sinfonie Nr. 64 A-Dur Tempora mutantur (1773/74), die in der Idiomatik eines Finalsatzes beginnt und deren langsamer Satz am «redenden Prinzip» Carl Philipp Emanuel Bachs orientiert ist. Gewöhnungsbedürftig, doch nicht eben aussagekräftig ist das «Booklet», eine Art Flyer, der zur Erhellung der Musik nichts beiträgt. Vorbildlich die Tontechnik.

Walter-Wolfgang Sparrer