Becker, Peter

Hör-Wunder

Theologische Implikationen unseres Hörsinns

erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2012/05 , Seite 26
Als «sensus principalis» kommt dem Sehen seit Platon eine Schlüsselrolle für den Welt- und Seinsvollzug des Menschen zu, die über den Neuplatonismus und das «finstere» Mittelalter bis zur Aufklärung bestimmend bleibt und erst von der Romantik hinterfragt wird. Die philosophische Kritik des Visualprimats in unserer Zeit signalisiert ein allgemeines Unbehagen, dem mit der Forderung einer neuen «Kultur des Hörens» (Wolfgang Welsch) begegnet werden soll. Beim Abmischen der Ingredienzien für ein solches Gegengift dürfte ein Blick auf die theologischen Implikationen des Hörens nützlich sein. Sie lassen – zumal als Niederschlag in der Musik – etwas von der Tiefenschärfe eines Begriffs ahnen, der wie kaum ein anderer für das Nachdenken des Menschen über Gott und die Welt stehen kann.