Mahnkopf, Claus-Steffen

Hommage à György Kurtág

Verlag/Label: NEOS 11307
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2014/02 , Seite 88

Musikalische Wertung: 3
Technische Wertung: 3
Booklet: 4

Die Musik von György Kurtág besitzt für Claus-Steffen Mahnkopf seit Ende der 1990er Jahre eine besonders starke Anziehungskraft, weil sie nach Bekunden des Komponisten «wie keine andere für die Erinnerung an die letztlich zerstörte Kultur der Großen Musik und mit dieser für die des Humanismus» stehe. Auch der ausgewiesene «Komplexist» Mahnkopf bewundert die «Miniaturisierung und Konzentration des Materials», die geradezu ein Gütesiegel des großen ungarischen Komponisten geworden ist: «Er schreibt – mit konservativen Mitteln – eine Musik, deren Konservativität als nichtkonservativ erlebt wird. Und das gelang nur ihm. Er ist ein Wunder inmitten der Moderne.»
Nach einer persönlichen Begegnung bei der Verleihung des Siemens-Musikpreises 1998 schrieb Mahnkopf die Hommage à György Kurtág (2000/01), ein «Konzert» für den Gitarristen Jürgen Ruck, das nicht zuletzt Mahnkopfs Affinität zu Kurtágs Grabstein für Stephan (für Gitarre und im Raum verteilte Instrumentengruppen) Ausdruck verlieh. Es wurde zu einer Art kompositorischem Mutterschiff für einen Zyklus von insgesamt neun miteinander verflochtenen Stücken, die sich alle auf Kurtág beziehen.
Mahnkopfs Vorstellungen eines «sehr langen, melodisch-harmonischen, bescheiden-unspektakulären Stücks» führten zu einem mehr als einstündigem Exerzitium, wo im Rahmen «undramatischer Gesamtdramaturgie» und «nicht-entwicklungsmäßiger Konstellation» spezifisch instrumentierte Sektionen in variierten Wiederholungen zusammengeleimt sind: Mahnkopf macht dabei anscheinend nicht den Versuch, mit Kurtágs grandioser Fähigkeit zur unmittelbar wirksamen musikalischen Verdichtung zu wetteifern. Vielmehr kommt diese konsequent mikrotonale Montage, die gelegentlich von Blech und Schlagwerk brutal erschüttert wird, aufs Ganze gesehen eigentümlich spröde daher. Die geradezu Mahnkopf-typische Qualität, hochkomplexes Klanggeschehen in furiose Expressivität umschlagen zu lassen, tritt hier selten einmal zutage. Stattdessen provo­zieren die mikrotonalen Lineaturen und Mikroglissandi der Holzbläser- und Streicherpartien ein hartnäckiges Heulen, Jammern und Klagen, als wäre das hier tatsächlich eine Begräbnismusik zum Ende von (großer) Kunst.
Das Kurtág-Duo (2000) filtert Solo­passagen aus der Hommage und formt daraus einen Kontrast virtuos-aggressiver und introvertiert-zerbrechlicher Gitarrenparts. Die radikale Mikrotonalität (eine Gitarre ist vierteltönig gestimmt, die andere mit sechs gleichen, aber mikrotonal verschobenen Saiten) verleiht diesem Dialog zweier Gitarristen interessante Farbvaleurs, aber auch hier will der Funke nicht wirklich überspringen. Alles bleibt hölzern, versteinert, wie eingefroren. Oder liegt es am Hörer? Was Kurtág wohl sagen würde?

Dirk Wieschollek