Weber, Horst

«I am not a hero, I am a composer»

Hanns Eisler in Hollywood

Verlag/Label: Georg Olms Verlag 2012 | 536 Seiten
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2013/02 , Seite 92

Dem amerikanischen Exil des Musikers hat Horst Weber ein wohltuend ideologiefreies Buch gewidmet: «I am not a hero, I am a composer». Hanns Eisler in Hollywood räumt mit manchem Klischee auf. Das Zitat stammt vom Sommer 1947, als der HUAC-Ausschuss zur Untersuchung «unamerikanischer Tätigkeit» den Komponisten vorlud und verhörte. Ellenlange Artikel aus der «Sowjetskaja Musika» wurden verlesen und daraus abgeleitet, Eisler sei ein «Held des Kommunismus». Dieser entgegnete, nachdem er die eigentlich Mu­tigen im deutschen Widerstand gegen die Nazis gewürdigt hatte: «Ich bin kein Held, ich bin ein Komponist.» Den ganzen Komplex von Eislers Verfolgung und Ausweisung aus den USA behandelt Weber erstmals umfassend in dem Kapitel «Tribunale».
Ein Held war der zuvor in europäischen Kreisen hochgeschätzte Mann in diesen amerikanischen Jahren wahrlich nicht, wohl aber ein Mann, der um seine Existenz fürchten musste; einer, der auf Tour war von New York über Mexiko zurück zur Ostküste, dann wieder nach Kalifornien, wo er auch mal Klinken putzen ging, um in der Filmproduktion landen zu können. All dies beschreibt der Autor sehr anschaulich, ohne darüber die Analyse einzelner Kompositionen (Lieder, Chöre, Instrumentalmusik, Filmmusiken) zu vernachlässigen. Webers Arbeit geht von einer stark gewandelten internationalen Beschäftigung mit dem Komponisten aus: Eisler ist, fünfzig Jahre nach seinem Tod, zunehmend präsent in der Gegenwart. Seine Musik wird gespielt, gesungen, systematisiert. Wissenschaftler forschen mehr denn je über den Künstler und sein Werk. Die Quellenlage ist ungleich besser als noch vor 25 Jahren. Webers umfängliches Buch ist eine wahre Fundgrube. Als Ergebnis jahrelanger Recherchearbeit gehört es zum Fundiertesten, was bisher über Eisler publiziert worden ist.
Wohltuend, wie gelassen und ideologiefern Weber die Figur Eisler behandelt. Einseitigkeiten, die in Zeiten des Kalten Krieges das Bild des Komponisten prägten, akzeptiert er nicht. Kein Gerede vom Komponisten der «Spalterhymne» für die DDR und «prosowjetischer» Kampflieder. Weber räumt mit dem Klischee auf, Eisler hätte in Übersee kaum noch Publikum gehabt und wäre darüber bald zerbrochen – der Komponist hatte auch in New York seine Hörer: Dort «waren seine Kampflieder nicht nur auf den Demonstrationen der Arbeiter erklungen, sondern bis in die Carnegie Hall vorgedrungen». Im Kapitel «Reisesonate» inspiziert Weber die Stationen und Wege Eislers auf der Visa-Suche zur Einreise, nach Arbeit, nach Aufträgen, die das Leben sichern. Bisweilen klingen diese Passagen, als würde ein Reporter oder Prosaiker schreiben.?Anlässe sind Briefe, Karten, Telegramme, die Eislers in New York sitzende Frau Louise und andere Personen von ihm erhielten. Einmontiert sind Analysen von bezeichnenden Exil-Liedern Eislers oder auch Kurzbeschreibungen der jäh sich verändernden Weltlage.
Webers Analysen der Eisler’­schen Filmmusiken («The forgotten Village», «Hang­man also die» u. a.) geben Einblick in die teils fatale Situation, in der sich der Komponist bereits vordem – auch ästhetisch – befand. Der Autor spricht von dessen «Tui»-Karriere (Brechts Wort für die käuflichen Intellektuellen), von dem Anpassungsdruck, dem er teils erliegt, und der gehörigen Arroganz, mit der er in seinem Buch «Composers for the Films» (Ko-Autor: Theodor W. Adorno) mit Hollywood abrechnet. Sehr nahe treten dem Leser die Dispute im Exil.

Stefan Amzoll