Herzogenrath, Wulf / Nierhoff-Wielk, Barbara (Hg.)

«John Cage und …»

Bildender Künstler – Einflüsse, Anregungen

Verlag/Label: DuMont, Köln 2012 | 320 Seiten
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2012/05 , Seite 90

Der vorliegende Band ist Bestandteil der zahlreichen internationalen Konzerte, Ausstellungen, Symposien und Publikationen anlässlich von John Cages 100. Geburtstag am 5. September 2012. Konkret ist er die begleitende Buchveröffentlichung zweier diesjähriger Ausstellungen in der Berliner Akademie der Künste bzw. im Salzburger Museum der Moderne. Der Titel «John Cage und …» geht dabei noch auf eine eigene Titelidee John Cages zurück, die er 1990 bei einem Besuch in Berlin formuliert und kalligrafiert hatte und die nun den Umschlag dieses Bandes ziert.
Um es vorwegzunehmen: Dieses Buch ist eine Freude und eine Perle für jeden an Cages umfassendem Schaffen Interessierten. Angefangen bei den vorangestellten – von Herausgeber Wulf Herzogenrath selbst gemachten – Fotos, die ohne jede Aufdringlichkeit John Cage in seiner privaten Umgebung zeigen und zwar in geradezu filmischer Sequenzierung (Straße,Klingelschild, Wohnung …). Weiterhin beinhaltet dieser Band überwiegend hervorragende und detailliert recherchierte Aufsätze, wie den von Maria Müller-Scharneck über «John Cage, Galka Scheyer und die Kunst der ‹Blauen Könige›» oder Toni Stoos’ überarbeiteten, bereits früher schon einmal veröffentlichten Beitrag «Fluss, Steine und Rauch – Aquarelle und Zeichnungen von John Cage»
– Texte, bei denen auch die Fußnoten des Lesens wert sind. Toni Stoos beschreibt die Entstehung von Cages Bildern so detailliert (Auswahl der Steine, der Pinsel, der Platzierungen), dass man regelrecht hineingezogen wird in den Arbeitsprozess: das ist faszinierend zu lesen. Schließlich ist die Aufmachung des Buches in gewohnt sehr guter DuMont-Qualität: ein lebendiges Layout mit – dem Thema angemessen – zahlreichen Illustrationen.
Allgemein bekannt ist, dass Cage in seiner frühen Jugend kurzzeitig plante, Bildender Künstler zu werden; ebenso dass er im Verlauf seines Lebens immer wieder Ausflüge in verschiedene künstlerische Praktiken unternahm. Nach der Lektüre der Aufsätze dieses Buches wird allerdings deutlich, wie eng Cages Verflechtung mit den Bildenden Künsten zeitlebens war.
In Los Angeles lernte er beispielsweise zu Beginn der 1930er Jahre Galka Scheyer, Malerin und Vertraute des russischen Malers Alexej Jawlensky, kennen, über die er mit dessen Kunst in Kontakt kam. 1935 erwarb Cage Jawlenskys kleinformatiges Werk Meditation (1934) und schrieb daraufhin enthusiastisch an den Künstler nach Wiesbaden: «… Ich schreibe Musik. Sie sind mein Lehrer» (siehe hierzu den Beitrag von Maria Müller-Scharneck). Den Exil-Ungarn Laszlo Moholy-Nagy traf Cage am Mills College im kalifornischen Oakland. 1941 berief dieser ihn dann an seine eigene ‹School of Design› nach Chicago (Beitrag von Jeffrey Saletnik). Am Black Mountain College in North Carolina begegnete Cage 1948 dem Bauhaus-Lehrer Josef Albers (Beitrag von Wulf Herzogenrath). Solche Kontakte zu Bildenden Künstlern wurden von Cage zeitlebens gesucht und gefördert. Sie dienten ihm als Inspirationsquelle und zur Erweiterung seines eigenen kreativen Spektrums. Auffällig ist, wie zahlreich gerade in den ersten beiden Jahrzehnten seines Schaffens die Bezugspunkte zur künstlerischen europäischen Avantgarde sind. So gesehen scheinen seine frühen rhythmisch-polyphonen Werke von euro­päisch-konstruktivistischen Tendenzen weitaus mehr beeinflusst als bislang angenommen.

Thomas M. Maier