Houben, Eva-Maria (Hg.)
Jürg Frey. Werkbetrachtungen Reflexionen Gespräche
(= Reihe Wandelweiser, Band 3)
«Ich bin mit Lachen und Lächeln in der Welt der Komposition aufgewacht», erzählt Jürg Frey während eines Vortrags an der Universität Dortmund und meint damit sein erstes Stück, eine Hommage an den Schriftsteller Robert Walser. Ein passender Beginn für das Kompendium Werkbetrachtungen Reflexionen Gespräche, das auf 170 Seiten interessante Einblicke in das Schaffen Freys bietet. Abgerundet wird es von einem vollständigen Werkverzeichnis und einer Diskografie.
Es geht also am Anfang los, am Nullpunkt. Kein ungewöhnlicher Zustand für Frey, der mit seinen Kompositionen auch oftmals den Nullpunkt des Hörens auslotet und eine Musik komponiert, die durch Einfachheit und Bodenständigkeit gekennzeichnet ist. Eine Begegnung mit ihr fordert ein konzentriertes Hören ein, eine Schärfung der Sinne, um «der Spur [nachzugehen], welche die Klänge hinterlassen», wie die Musikwissenschaftlerin und Komponistin Eva-Maria Houben in ihrer Analyse schreibt. Sie geht zudem auf unterschiedliche Hörformen ein, die in Freys Musik anklingen. In diesem Zusammenhang stößt man auf leicht esoterisch anmutende Gedankengänge, die auch andernorts im Buch aufkommen eine mysteriöse Sprache, die mehr verschleiert als erhellt.
Eine Beobachtung, die nicht zwangsläufig negativ konnotiert sein muss. Man könnte darüber spekulieren, ob Freys Musik ein derartiges Denken inspiriert. Der Instrumentalist und Autor Samuel Vriezen spricht ihr jedenfalls eine «othertimely» Qualität zu. Damit meint er einen der Musik innewohnenden Zustand, der sie außerhalb der Geschichte und gleichzeitig als einen Teil von ihr verortet. «These pieces speak from an uncharted virtual world that is hidden within music history. The music does actively seek out that world and so it does engage history, but without fixing it [
]. Each chord in itself could belong to many eras at once», schreibt er. Ein paradoxes Phänomen, das für Vriezen aus seiner Widersprüchlichkeit und Ambivalenz ein unerschöpfliches kreatives Potenzial entfaltet.
Der Pianist Dante Boom rekurriert bereits im Titel seines Beitrags «Now that Things are so simple, theres so much to do» auf ein wesentliches Merkmal von Freys Musik. Die Kompositionen des Schweizers mögen auf der Oberfläche einfach erscheinen das bedeutet aber nicht, dass sie nicht eine Vielfalt von komplexen Resultaten oder Assoziationen produzieren können, die Boom in einer unterhaltsamen Aufzählung wiedergibt.
Ein komplexer Zustand, wenn auch auf niedrigem Niveau, entsteht für Frey bereits im Zusammenspiel von zwei Tönen, was Jack Callahan dazu veranlasst, in seinem Essay Reflexionen von Alain Badiou zur Zweisamkeit mit Freys Komposition Ohne Titel (2 Violinen) zu amalgamieren. Letztendlich schließt Callahan in seinem Beitrag aber mit der Überlegung, dass die Musik Freys am besten für sich alleine spricht. Sie brauche keine «justification, theoretical or otherwise». Eine schöne Einsicht, die eine gelungene Publikation abrundet.
Raphael Smarzoch