Smutny, Daniel
Klaviersonate / Symphonie / Divertimento di «Ferne Nähe» / Streichquartett / Velouria (II)
Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Booklet: 5
Zu leicht, der Musik Daniel Smutnys ein regressives Moment zu unterstellen. Tonales muss man bei ihm nicht suchen es drängt sich quasi auf. Auch satt Romantisches kommt im Schaffen des 1976 in Mannheim Geborenenen immer wieder vor seien es die virtuosen Elemente à la Rachmaninow und Chopin in der Klaviersonate von 2011 oder die düster-schweren Orchesterpassagen à la Bruckner oder Liszt in der Symphonie von 2012. Ist Smutnys Musik also bloß eine heutzutage so oft im Pejorativen beschriebene «Ausdrucksmusik»? Oder bloß eine neoromantische Inauguration verbrauchter Kompositionsmittel unter der munter flatternden Fahne der Postmoderne?
Beides keineswegs! Beide Vermutungen zielen ins Leere schon deshalb, weil der Ausdruck so merkwürdig verschroben ist. Smutny scheint es ganz ernst zu meinen mit seiner seltsamen Form der Tonalität und seinen höchst originellen Reihungen, die ihren Sinn erst dann offenbaren, wenn man sich unter die Oberfläche oder besser: nicht an der Außen-, sondern der Innenseite des Klangs bewegt. Am Ende der Symphonie taucht ein markant ostinater Rhythmus auf, farbig vorangetrieben durch verschiedene Kombinationen der Instrumente. Es folgen Streicherkantilenen, dann wächst der vorangegangene Beat wieder aus dem orchestralen Dickicht hervor und führt erneut sein seltsames Eigenleben. Wieder ein Bruch. Ein tiefer Klavierton setzt schließlich den letzten Akzent einen, in den alles Vorangegangene zu münden scheint, einen, der in seiner logischen Konsequenz etwas Unerbittliches hat.
Vermutlich ist es solch stringente
und schwer zu beweisende musikalische Logik, die einen Teil des besonderen Tons bedingt. Hinzu kommt die seltsame Reibung zwischen Romantizismen einerseits und diesem so ganz unsentimentalen objektiven Gestus andererseits. In seinem hervorragenden Booklettext spricht Hans-Peter Jahn von «Trümmerlandschaften», die «trotz der Verwüstung die Facetten ihrer einstigen Kostbarkeit» zeigen. Smutny sei «der Baumeister, der aus Torsi und aus bemoostem Stein neue Skulpturen errichtet». Solche Worte treffen das «Phänomen» Smutny weit besser als irgendwelche Mutmaßungen über (Neo-) Tonalität oder (vermeintliche) Regression. Aber trotz aller virtuoser Musikdeutung bleibt ein Rest, etwas Unauflösliches, das sich besonders im «Divertimento di Ferne Nähe» (2011) oder im ersten Satz des Streichquartetts mit den Zitaten aus dem Beethovenschen Spätwerk zeigt. Selten hat man in den letzten Jahren solch einen Ton vernommen es ist ein herrlich entspannter, ein witziger, manchmal auch koketter, aber auf jeden Fall kein verbrauchter!
Torsten Möller