Bergman, Borah / Stefano Pastor

Live at Tortona

Verlag/Label: Mutable Music 17534-2
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2010/01 , Seite 91

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 3
Repertoirewert: 3
Booklet: 4
Gesamtwertung: 3

 

Seit den 1970er Jahren arbeitet der New Yorker Jazzimprovisator Borah Bergman an ei­nem eigenständigen Konzept, das auf die völlige Unabhängigkeit der beiden Hände beim Klavierspiel abzielt. Dafür hat Bergman spezielle Spieltechniken entwickelt, die ihm ein mehrschichtiges, komplexes Improvisieren erlauben.
Die Musik auf dieser Einspielung, die ein Konzert beim Jazzfestival in der norditalienischen Stadt Tortona von 2007 wiedergibt, ist voller Kontraste, starker Kontraste, ja extremer Gegensätze. Da gibt es auf der einen Seite ruhige, versonnene Passagen, die oft eine balladenhaften Form annehmen und eine melancholische Stimmung ausstrahlen. Sie sind vollgesogen von einer Atmosphäre, wie man sie in den herbstlichen Balladen des Jazzpianisten Bill Evans finden kann. Dieser schwelgerisch-verträumte Ton wird gelegentlich ganz abrupt von rabiaten Tastenexplosionen durchbrochen, die mit einem Furor vorgetragen werden, der an die extremsten Freejazzausbrüche eines Cecil Taylors erinnert und Bergman mit Unterarmen und Ellbogen die Tasten bearbeiten lässt. Ein paar Takte später findet man ihn dann bereits wieder völlig versunken in die Welt der Melancholie.
Bergmans Duo-Partner Stefano Pastor, ein respektierter Violinist der italienischen Impro-Szene, hat es schwer, diesen extremen Schwankungen der Gefühle zu folgen, vor allem weil Bergmans Kompositionen ursprünglich für Solopiano entstanden sind und deshalb wenig Raum für weitere Instrumentalisten lassen. Erst in den zwei abschließenden, freien Improvisationen des Konzerts gelingt es Pastor sich besser ins Geschehen einzubringen. Er nimmt kleine Phrasen von Bergmans Spiel auf, variiert sie und führt sie fantasievoll weiter, fügt eigene Ideen hinzu, wobei mehr und mehr eine flüssige Interaktion zwischen den beiden Instrumentalisten zustandekommt.

Christoph Wagner