Markus Stockhausen and the Metropole Orkest

Verlag/Label: Intuition INT 34372
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2013/04 , Seite 85

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Booklet: 5

Die vorliegende Aufnahme eines Konzerts von Markus Stockhausen mit dem niederländischen Metropole Orkest dokumentiert eindrucksvoll das Schaffen des Komponisten und Trompeters im Bereich des Orchesterjazz. Die Stücke Yin und Yang wurden vom Metropole Orkest selbst in Auftrag gegeben, Tanzendes Licht ist ein Auftragswerk der Camerata Bern und des Swiss Jazz Orchestra, Felice entstand eigens als Zugabe für dieses Konzertprogramm.
Yin beginnt impressionistisch und bleibt durchgehend in einem Schwebezustand zwischen den Orchesterwerken Claude Debussys und den Soundtracks eines John Williams. Die schiere Bandbreite an Farben, die hier zum Einsatz kommen, lässt aber keinen Zweifel an seiner Eigenständigkeit: Orientiert an der Dualität des Lebens, symbolisiert im chinesischen Yin und Yang, komponiert Markus Stockhausen in diesem «hellen» Teil eine luzide Melange auf Basis einer satten Holzbläsersektion, in die er vier Solisten – Vibrafon, Gitarre, Harfe und elektrisches Piano – bettet. Während der Rhythmus durchgängig nicht fasslich bleibt, liegt der Fokus auf der klanglich-harmonischen Ausgestaltung, wobei sich das Stück in Tutti­wellen und lydischen Skalen zu immer neuen Höhen aufschwingt.
Im folgenden Stück kulminieren zunächst die Anlagen aus Yin in einem ersten plötzlichen Notenrausch, bevor drei neue Solisten – Sopransaxofon, Trompete (Stockhausen selbst) und Posaune – improvisierend einsetzen. Komplementär zu Yin ist Yang sehr groove- und melodieorientiert, seine thematisch aufeinander aufbauenden Sektionen entwickeln eine expressive, energetische Dynamik. Am Ende folgt ein Abstieg durch die erklommene Klanglandschaft und eine Rückkehr der vier Solisten aus Yin: Der Kreis schließt sich und kann neu beginnen.
Tanzendes Licht verbindet ebenfalls zwei vermeintliche Gegensätze: Der ihm durchgehend zugrunde liegende 9/8-Takt fließt, ohne zu holpern. Grund dafür mag die Inspiration gewesen sein, die Markus Stockhausen auf der Suche nach einem Motiv für eine musikalische Hommage an Paul Klee fand. Als indirekte Referenz wurde das tanzende Licht der untergehenden Sonne auf der Wasseroberfläche eines großen Sees – ein Motiv, das auch Klee interessiert hätte – zur Grundlage des Stücks. Das Flirren und Schimmern dieser Beobachtung setzt Stockhausen durch unterschiedliche Schwerpunktsetzung des ungewöhnlichen Grundschlags in Mu­sik. So ergeben sich immer neue Möglichkeiten melodischer Phrasierung und harmonischer Rahmung, die die Atmosphäre des Augenblicks bannen – eine Qualität, wie sie auch die Bilder von Paul Klee auszeichnet.
Markus Stockhausen brilliert auf dieser CD als Solist und Komponist in Personalunion unaufdringlich und doch gekonnt. Der Star der Aufnahmen aber ist das Metropole Orkest, dem zuzuhören eine Freude ist. So viel Spielfreude, Ausdruck und Farbe – immer wieder Farbe – lässt sich hier finden. Daran gemessen kann man nur von einem Glücksfall sprechen, dass es nicht die letzte Aufnahme dieses geschichtsträch­tigen Orchesters geworden ist und sich eine Lösung für die weitere Finanzierung, zumindest bis 2014, hat finden lassen. Ein solcher Klangkörper verdient die Unterstützung seiner Kulturbeauftragten mit dem vollsten Recht, wie die vorliegende CD beweist.

Patrick Klingenschmitt