Johansson, Sven-Åke

More Compositions

Verlag/Label: 5 CDs, SÅJ-CD 29/30/31/32/12
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2014/05 , Seite 88

Musikalische Wertung: 3
Technische Wertung: 3
Booklet: 3

Ein großes, fett gedrucktes MORE ziert diesen schlichten Karton, den Sven-Åke Johansson auf seinem hauseigenen SÅJ-Label herausgegeben hat. Das musikalische Universum also wird ausgiebig ausgebreitet. Gleich fünf CDs bietet die Box, die eine Schaffenszeit von 1983 bis 2011 dokumentiert. Auf eine Entwicklung, zumal in klassischem Sinne von Phasen oder Stilwechseln, wird man dabei nicht stoßen. Johansson ist geblieben, was er schon in den späten 1960er Jahren war: eine experimentierfreudige künstlerische Mehrfachbegabung sondergleichen. Über siebzigjährig tritt er heute als Schlagzeuger auf. Daneben gibt es aber auch den (übrigens fantastischen) Sprecher, den Autor, den Maler, und, nicht zu vergessen: den Komponisten Johansson.
Was bietet er nun? Nicht wenige Skurrilitäten tauchen auf den fünf CDs auf. Der 1943 im schwedischen Marienstad Geborene erweist sich als geistiger Verwandter des Fluxus, etwa dem seines dänischen Kollegen Hen­ning Christiansen. Rätselhaft notiert ist ein BOM-ZEKE-BOM für Septett (1995), das das Berliner Ensemble Zwischentöne zu Gehör bringt. Es ist eine Art naive Kindermusik. Zu einer Endlosschleife des Klaviers kommt eine Sprecherin, dann passen sich andere Instrumente der simplen Rhythmik an. Nachzuvollziehen ist das Gespiele nicht, durchaus aber amüsant und in diesem Fall – das Stückchen dauert knapp sechs Minuten – auch kurzweilig. Nicht im­mer kann man das behaupten; das fluide Spiel mit Alltagssituationen zieht sich auch schon mal in die Länge. Eine italienische Verkehrsverständigung ahmen ziemlich signalartig eingesetzte Holzbläser schon mal fast zwölf Minuten lang nach. Das Konzert für MC (H-D) und gemischten Chor (2000) verleitet ein sogenanntes «Harley Davidson Ensemble» 16 Minuten zu Maschinengeräuschen diverser Drehzahlen und finalem rhythmischen Gesang. 22 Miniaturen für Akkordeonorchester (1991) kommen trotz dürftiger Substanz auch schon mal auf mehr als 21 Minuten.
Wer sich einem akademischen Metier gegenüber so skeptisch bis ablehnend verhält wie Johansson, dem kann man selbstverständlich nicht mit Begriffen wie «Zeiterfüllung», Kompositionsdichte oder musikalischer Konzentration beikommen. So soll es bleiben, was es ist: eine manchmal erfrischend sinnfreie, mitunter auch lustige Sammlung von kaum spitzfindiger, zuweilen eben auch etwas überdehnter Kunst. Das Booklet inklusiver einiger orthografischer Eigenheiten passt sich dem schönen Laissez-faire an. Wie schrieb einst Claudia Schandt, Sängerin der «Tödlichen Doris» und Repräsentantin der «Genialen Dilettanten»: «Falsch / Richtig, das sind die Kategorien putzsüchtiger Hausfrauen, die ihre Kinder zu anständigen Menschen erziehen wollen. Und in diesem Niveau wollen sich echte Vollblutmusiker doch sicher nicht ansiedeln.»

Torsten Möller