Traber, Habakuk
Nach-Zeichnung
Peter Ruzicka. Eine Werkmonographie
Vollständig würdigen kann man das vielseitige Wirken Peter Ruzickas in einem handlichen Buch kaum, und der Berliner Musikpublizist Habakuk Traber versucht dies als Autor der vorliegenden Monografie auch gar nicht erst. Ruzicka als Komponisten und Dirigenten zu charakterisieren, dazu noch als Intendanten des RSO Berlin (1979-87), der Hamburger Staatsoper (1988-97), der Salzburger Festspiele (2001-06) sowie als Künstlerischen Leiter der «Münchener Biennale für Neues Musiktheater» (ab 1996) würde weitaus mehr Platz erfordern als die zur Verfügung stehenden 250 Seiten. Dabei wären hiermit noch gar nicht alle Aktivitäten und Neigungen Ruzickas genannt, zu denen auch sein Engagement für die Wiederentdeckung von Komponisten wie Alexander Zemlinsky und Erich Wolfgang Korngold gehört oder Ruzickas Jurastudium, das ihm eine ganz andere berufliche Ausrichtung im Bereich des Urheberrechts ermöglicht hätte.
Der vorliegende Band setzt den Schwerpunkt auf Ruzickas musikalisches Schaffen, wobei seine Lebensumstände immer insoweit berücksichtigt werden, als sie mit Idee und Entstehungsprozess der Werke verknüpft sind. Doch selbst im Rahmen der «Werkmonografie» strebt der Autor keineswegs Vollständigkeit an, sondern will ohne chronologische Zwangsjacke das in seiner Sicht Wesentliche beleuchten, wobei Seitenblicke auf Randbezirke des uvres jedoch nicht ausgeschlossen sind.
Als Zentralwerke, denen eigene Kapitel gewidmet sind, sieht Traber die Bühnenwerke Celan (2001) und Hölderlin (2008) an, zu denen viele andere der besprochenen Kompositionen Vorstufen oder Paralipomena bilden. Denn Celan wie Hölderlin stellen Dichter ins Zentrum, die Ruzickas Denken und Komponieren immer wieder inspirierten.
Um diese Buch-Abschnitte herum gruppieren sich Kapitel über Ruzickas bislang sechs Streichquartette (wobei zugleich ein chronologischer Längsschnitt durch dessen Schaffen von 1970 bis zur jüngsten Vergangenheit gelegt wird), seine Solokonzerte und die Orchesterwerke seit den 1990er Jahren. Als auch im Umfang bescheideneres «Intermezzo» steht dazwischen ein Überblick über das im gesamten uvre Ruzickas eher periphere Klavierschaffen.
Man merkt Trabers gehaltvollen und sprachlich geschliffenen Darstellungen von Werkideen und Schaffensprozessen, seinen Musikbeschreibungen und -analysen die genaue Kenntnis von Ruzickas uvre an, aber auch der Sekundärliteratur zu Ruzickas Musik. Die offensichtliche Empathie des Autors gegenüber seinem Gegenstand wird jedoch nicht zur reinen Hagiografie. Sie schließt die Fähigkeit zu distanzierter Sicht ein, etwa wenn Traber Zweifel am Gelingen der Hölderlin-Oper formuliert und eine Revision von deren viertem Akt empfiehlt.
Was so letztlich entsteht, ist das treffende Bild Ruzickas als eines Komponisten, dem es stets um die Sprachfähigkeit der Musik zu tun ist, und dem es zum anderen nichts ausmacht, in ständiger Auseinandersetzung mit dem überreichen Traditionsbestand ganz gezielt im Anknüpfen an Komponisten der Vergangenheit (oder im Fortentwickeln eigener Werke) «Musik über Musik» zu schreiben.
Gerhard Dietel