Siano, Leopoldo
«Nie zuvor haben Menschen so viel gesehen »
Elektroakustische Musik als eine erste wahrhaft surrealistische Musik
Die Einstellung der Surrealisten gegenüber der Musik schwankte zwischen Gleichgültigkeit und Verachtung. Aufgrund ihrer Losgelöstheit von der konkreten Realität schien Musik ungeeignet, um die Zwecke der surrealistischen Kunst anzustreben, deren Voraussetzung die beständige Gegenwart der Realität war. Ende der 1940er Jahre allerdings wurde plötzlich eine Spätgeburt einer «surrealistischen Musik» ermöglicht: dank der Erfindung der Musique concrète durch Pierre Schaeffer. Mit elektroakustischen Mitteln ist es nicht nur möglich, Bruchstücke der Klangrealität als kompositorisches Material zu verwenden, sondern auch diese Realität durch die mannigfaltigsten Verfahren zu verändern. Die wesentlichen Techniken des Surrealismus (freie Assoziationen, Montagen, Verzerrungen, Entfremdungen, Metamorphosen) sind mit denen des elektroakustischen Komponisten eng verwandt. So ist es kein Zufall, dass sich prominente Komponisten der akusmatischen Tradition von der surrealistischen Kunst inspirieren ließen.