Høffding, Finn

Orchestral Works

Evolution (Symphonic Fantasy for orchestra No. 1) op. 31 / Det er ganske vist (Es ist ganz gewiss) op. 37 / Symphony No. 3 op. 12

Verlag/Label: Dacapo 8.226080
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2012/05 , Seite 84

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Booklet: 4

Der Name Niels Finn Høffding (1899-1997) ist hierzulande weitgehend unbekannt, in seiner Heimat Dänemark war der Komponist jedoch viele Jahre lang eine zentrale und prägende Figur des skandinavischen Musiklebens. Dass 15 Jahre nach seinem Tod ein repräsentativer Querschnitt seines orchestralen Schaffens auf einer CD des dänischen Labels Dacapo Records erscheinen konnte – der sich als nicht nur hörenswert, sondern geradezu hochkarätig entpuppt –, haben wir vor allem Høffdings Landsmann und berühmtem Schüler Per Nørgård zu verdanken. Jubilar Nørgård feierte kürzlich seinen 80. Geburtstag, und er hat als Høffding-Kenner sowohl die Musikauswahl der CD besorgt als auch einen Teil des Booklet-Textes verfasst, in dem er unter anderem schreibt: «Ich würde mir wünschen, dass diese CD das Interesse an Høffding, diesem neoklassizistischen Klassiker, wiedererwecken könnte! Die drei Werke bieten jedenfalls eine Grundlage für eine wertvolle Erweiterung des Orchesterrepertoires.»
Finn Høffding war der Lehrer von Vagn Holmboe, der seinerseits Mentor von Per Nørgård war. Was die drei großen Symphoniker der dänischen Musikszene vor allem miteinander verbindet und zu Geistesverwandten macht, ist ein von Holmboe bis zur Perfektion getriebenes Verfahren, das er selbst «metamorphisch» nannte und das darauf abzielt, die Komposition ganz aus einer als Keimzelle angelegten Struktur heraus zu entwickeln, deren Gestalt sich im Prozess der klanglichen Entfaltung zwar permanent ändert, die aber dennoch in all ihren Metamorphosen im­mer eine «genetische» Verwandtschaft zum «Zellkern» erkennen lässt. Auch in Nørgårds auf dem Goldenen Schnitt beruhenden «Unendlichkeitsreihen» ist dieses Prinzip zu erkennen, und in Høffdings Orchesterfantasie Evolution aus dem Jahr 1939, dem ersten Stück der CD, kommt das metamorphische Wachstumsprinzip sozusagen schon im Titel programmatisch zum Ausdruck. In der symphonischen Fantasie Det er ganske vist (1943) nach einem Märchen von Hans Christian Andersen wird dieses Prinzip musikalisch ins Humoristische übersteigert. Wie im Kinderspiel «Stille Post» macht eine kleine unbedeutende Bemerkung der Henne die Runde im Hühnerhof und wird dabei so grotesk abgewandelt, dass sie von der Henne nicht wiedererkannt wird, als sie schließlich zu ihr zurückkehrt.
Das musikalisch interessanteste Stück der CD dürfte aber trotzdem Høffdings mehr als halbstündige Symphonie Nr. 3 aus dem Jahr 1928 sein. Eine Begegnung mit Paul Hindemith im Jahr zuvor wurde für den jungen Høffding zum prägenden Erlebnis, und in dieser an der Ästhetik der Neuen Sachlichkeit orientierten Symphonie, in deren vier Sätzen das Klavier eine tragende Rolle spielt, ist das auch zu hören. Dennoch sollte man den neusachlichen Aspekt nicht überbetonen, da das Werk letztlich viel zu originell und eigenständig ist, um es in dieses Korsett zu stecken. Das Faszinierende dieser Symphonie besteht vielleicht gerade darin, dass sie sich genau auf dem schmalen Grad zwischen romantischer Introspektion und postromantischer Konstruktion bewegt. Die Jenaer Philharmoniker unter Frank Cramer liefern eine mustergültige Interpretation und bereichern das Repertoire um drei hochinteressante Orchesterwerke «made in Denmark».

Burkhard Schäfer