Péter Eötvös | Pedro Amaral

Parlando – Rubato

Gespräche, Monologe und andere Umwege

Verlag/Label: Schott Music, Mainz 2018, 323 Seiten, 34,95 Euro
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 6/2018 , Seite 74

Grundlage des vorliegenden Bandes sind Gespräche, die der portugiesische Komponist und Dirigent Pedro Amaral im Mai 2010 mit Péter Eötvös mit Bezug auf dessen Bühnenwerke geführt und erstmals 2015 in ungarischer Sprache veröffentlicht hat. Von Sandra Rétháti ins Deutsche übertragen und durch einen Anhang (von Andreas Krause) um aktuelle Ausführungen bis hin zu den jüngeren Kompositionen ergänzt, gewährt das Buch grundsätzliche Einblicke in ästhetische Überlegungen und kompositorische Entscheidungen.
Als Ausgangspunkt dient ein einleitender Abschnitt, in dem Amaral Eötvös’ Kölner Jahre im Dunstkreis Karlheinz Stockhausens als prägende Zeit umreißt, in welcher der Keim für das gesamte Musiktheaterschaffen des 1944 geborenen Ungarn gelegt wur­de. Hieran anknüpfend beschreiben die einzelnen Kapitel in Gestalt von Dialogen oder daraus extrahierten Monologen den Weg von den Arbeiten Harakiri (1973) und Radames (1975) über Opern wie Drei Schwestern (1996/97) und Le Balcon (2001/02) bis hin zum Ein­akter Senza sangue (2014/15), wo­bei bedauerlicherweise die gleichfalls szenisch konzipierten Drei Madrigal­komödien (1963–89) ausgeklammert werden.

Besonders aufschlussreich sind die Ausführungen dort, wo es um die Suche nach brauchbaren Opern­sujets und die Arbeit mit den literarischen Quellen der Libretti geht, da hier zentrale Entscheidungen für oder gegen eine Vorlage ebenso wie die Fragen nach der Sprachwahl oder nach dramaturgisch motivierten Eingriffen herausgearbeitet werden.

Neben immer wieder anzutreffenden Details zu Arbeitsstrategien und musikalischen Lösungen nehmen die Fragen nach der Bühnenrealisierung und der Zusammenarbeit mit Regisseuren breiten Raum ein. Von großem Interesse sind da­rüber hinaus auch die aus der Interpretationspraxis gespeisten Beobachtungen zu den Konventionen des Opernbetriebs: Zwar erweist sich Eötvös im Umgang mit ihnen als Pragmatiker, der beim Komponieren die Ausführbarkeit im Auge behält, doch lässt er zugleich auch – beispielsweise in Bezug auf Eigentümlichkeiten der Besetzung – gewisse Querständigkeiten einfließen, die den institutionellen Apparat herausfordern.
Da schließlich noch zahlreiche rückblickende Betrachtungen zu biografischen Details, etwa zur Ausbildung an der Musikakademie Budapest oder zu prägenden Persönlichkeiten, in die Kapitel eingestreut sind, lässt sich die Publikation auch als allgemeine Einleitung in die Voraussetzungen von Eötvös’ Arbeit lesen. In der Gesamtheit wird hier, angereichert durch Notenbeispiele und Reproduktionen von Partiturseiten sowie ergänzt um Diskografie und Aufführungsverzeichnis, ein Mosaik aus Fakten, Beobachtungen und Selbstkommentaren präsentiert, das viel zum Verständnis von Eötvös’ Opernkonzeptionen beiträgt.

Als persönliche, von subjektiven Perspektiven geprägte Einführung in sein Musiktheater ist der Band letzten Endes unverzichtbar für all diejenigen, die sich mit den entsprechenden Werken auseinandersetzen möchten.

Stefan Drees