Penderecki, Krzysztof

Piano Concerto «Resurrection»

Verlag/Label: Hänssler Classic CD 98.018
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2014/01 , Seite 82

Musikalische Wertung: 3
Technische Wertung: 5
Booklet: 3

«Torniamo all’antico e sarà un progresso» war die Devise Giuseppe Verdis. Dergleichen scheint sich auch Krzysztof Penderecki gesagt zu ha­ben, als ihm aufging, dass weder eine «ungescheute Ausnutzung von Streicher-Clustern im Wechsel mit wirbelnden Schlagzeug-Sequenzen» (wie 1960 in Anaklasis) noch die «oratorische Ermahnung einer unfriedlichen, schuldverstrickten Welt in einer expressiv-dramatischen, affektiv aufgerauten Klangsprache» (wie 1966 in der Lukas-Passion) sein musikalisches Schöpfertum auf Dauer zu sichern vermochten.
Seines Kreisens um ähnliche oder gleiche kompositorische Bezugspunk­te müde, wagte sich Penderecki Mitte der 1970er Jahre Schritt für Schritt «vorwärts in die Vergangenheit» – beflügelt von seiner angestammten Liebe zu Tschaikowsky, die nun auf Bruckner und Wagner, Sibelius und Schostakowitsch übersprang. «Die dadurch als neu ererbte klangschwelgerische Breitspurigkeit ergriff nacheinander alles», notierte Ulrich Dibelius 1988. «Sie ebnete die instrumentale Charakteristik von einst zu pastoser Langatmigkeit ein, überzog sogar die Oper mit jenem immer schwerfälliger gewordenen Oratorien-Pathos. […] Selbst die Teilnahme am Schicksal seines Heimatlandes vermochte die strapazierten Einfallskräfte im Polnischen Requiem, obwohl es auch an Früheres anzuknüpfen suchte, nur für herausgehobene Momente wirklich zu reaktivieren.»
Seit Threnos (Klagegesang auf die Opfer von Hiroshima, 1960/61) be­zog Penderecki sein Schaffen immer wieder auf zeitgeschichtliche Ereignisse, was seine Wirkung auf ein breiteres Publikum nicht verfehlte. So wundert es kaum, dass er im Frühherbst 2001 sein für die Carnegie Hall in Arbeit befindliches Capriccio für Klavier und Orchester auf die Opfer der Terroranschläge «umstimmte» und mit dem ambitiösen Titel Resurrection versah.
Wiewohl einsätzig und novellistisch angelegt, bekennt es sich im Tonfall und im virtuosen Gestus des Solisten wie auch in der bläserstarken und schlagkräftigen Orchesterbesetzung zur Tradition des romantischen Klavierkonzerts. Was auch für die zyklische Durchformung gilt. Ohrenfällig vor allem: der mehrmals wiederkehrende, dumpf stampfende Marschtritt und ein Choral, der sich gegen Ende zur Apotheose mit Ferntrompeten und vorproduziertem Glo­-ckengeläut aufplustert.
Während das eklektische Prunkstück mit seinen fromm-versunkenen Adagios in den USA durchaus Anklang fand – jedenfalls in der revidierten Fassung von 2007, für die sich der fingerflinke Klavierpoet Florian Uhlig, das Sinfonieorchester des Polnischen Rundfunks und sein Chefdirigent Lukasz Borowisz entschieden –, löste es in der polnischen, englischen und deutschen Presse Wellen der Entrüstung aus. Die würdige Wiedergabe, die Uhlig und seine polnischen Partner der Partitur nun angedeihen lassen, rückt das Werk eher in die Nähe litauischer Renegaten der «neuen Musik» wie Vytautas Barkauskas oder Mindaugas Urbaitis und Vidmantas Bartulis – die ihre historischen Zapfquellen freilich in ihren Werktiteln beim Namen nennen.

Lutz Lesle