Thorau, Christian

Pssst!

Auf der Suche nach den Hörerinnen und Hörern der Vergangenheit

erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2012/05 , Seite 18
In Konzert- und Opernveranstaltungen des 18. Jahrhunderts war es sowohl im bürgerlichen als auch im aristokratischen Milieu üblich, sich zu unterhalten, umherzulaufen, hinein- und hinauszugehen, zu essen und zu trinken. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde das Publikum in einem komplexen, von vielen Faktoren beeinflussten Prozess zur Stille und Konzentration erzogen. Dazu trugen nicht nur die ins Zentrum der Aufmerksamkeit tretenden Musiker und Komponisten sowie der Kunst- und Werkanspruch bei, den sie mit ihrer Musik vertraten. Die bürgerliche Hörerschaft disziplinierte sich – wie James Johnson in seiner grundlegenden Studie «Listening in Paris» (1995) zeigte – auch zunehmend untereinander und gegenseitig und setzte sich auf diese Weise in einem Akt der Distinktion von anderen Rezeptionsweisen und anderen Publika ab.