Sciarrino, Salvatore
Quartetto N. 7 / Quartetto N. 8 / Sei quartetti brevi
Das Staunen, das gewisse Werke in uns hervorrufen, veranlasse uns zu hoffen, sie mögen der Vergänglichkeit entrinnen, wünscht sich Salvatore Sciarrino im Eingang des Booklets. Man ist geneigt, im Falle seiner Musik nicht nur den Wunsch, sondern auch die Hoffnung zu teilen angesichts des unverwechselbaren Personalstils des italienischen Komponisten. Auch wenn es dann eher sein Musiktheater sein dürfte, das in Zukunft der Vergessenheit trotzt, und nicht seine Kammermusik, sind gerade Sciarrinos Streichquartette einzigartige Exponate seiner Ästhetik, ein Labor ziselierter Techniken und Farben.
Dennoch hat nicht selten der Umgang mit der Stimme die Kammermusik beeinflusst und nicht umgekehrt. So auch im siebten Quartett (1999): Dessen Nähe zur Oper Luci mie traditrici (1997/98) ist nicht nur zeitlich evident, sondern auch klanglich spürbar in einer Gestik, die der implosiven Dramatik der Vokalbehandlung deutlich nachempfunden scheint ein instrumentales Theater der Andeutung, das sich in leisen Seufzern, filigranem Beben und brüchigen Motivsplittern ergeht und dabei verständlicherweise auf jede Virtuosität verzichten muss.
Eine konsequente Weiterentwicklung und Verfeinerung von Sciarrinos verhuschter Affekt-Gestik ist das Quartetto N. 8 (2008), das mit fragmentarischen Unisono-Bewegungen aufwartet, als solle hier mit einer Stimme verschiedenfarbig gesprochen werden. Diese Klang-Kalligrafie im Flüsterton erzeugt Texturen, die zum Zerreißen dünn sind und doch immer ihre (Innen-)Spannung aufrecht und den Hörer in Atem halten. Das kann am Ende ätzende Schraffuren ausprägen und Sciarrinos melancholisch um sich selbst kreisende Introversion überraschend vehement verlassen, um bedrohliche Steigerungen zu entwickeln.
Ein Vierteljahrhundert Komposition spiegeln die Sei quartetti brevi (1967-92) wider, deren stilistische Divergenz vom Autor bewusst erhalten wurde. Mit ihren ziselierten Geräuschfarben und flüchtigen Gesten erscheinen die sechs Miniaturen wie Etüden von Sciarrinos Klangtechniken in Reinkultur und sind nicht von ungefähr Helmut Lachenmann und Franco Evangelisti gewidmet. Das Quartetto Prometeo zeigt in diesen obertonreichen Klangbildern noch einmal besonders eindrucksvoll, mit welch feiner Nadel diese Kammermusik gestrickt ist, und erweist Sciarrinos Auffassung vom Musizieren alle Ehre: «Sich selber, den Ort und die Zuhörer zu verwandeln, ist das mindeste Interpretationsniveau
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Dirk Wieschollek