Lang, Klaus

sais.

Verlag/Label: Maria de Alvear World Edition 0024
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2014/05 , Seite 84

Musikalische Wertung: 3
Technische Wertung: 5
Booklet: 3

Alles beginnt mit leisen und doch voluminösen Klängen von Schlagzeug und Klavier in den tiefen Registern. Ihre Wiederholung lässt die Ahnung eines ruhigen Pulses aufschimmern, in den als neues Element Flötentöne in schreitendem Duktus eingepasst werden. Dadurch tritt das Blasinstrument einerseits als Gegenüber zu seinen beiden Partnern auf, andererseits wirkt es aber auch wie ein Anreger für das ganz allmählich sich manifestierende Hervortreten der Pauke und damit die Emanzipation des Schlagzeugs vom Klavier.
Dass es sich bei Klaus Langs Komposition sais. um ein «Stück über Kühe» handeln soll, signalisiert nicht allein die Verpackung der CD, sondern das wird auch von Raoul Mörchen im Booklet ausführlich dargelegt. Gerade hier zeigt sich aber auch, wie man einem voller ironischer Zwischentöne steckenden Werkkommentar des Komponisten auf den Leim gehen kann: Denn Langs Bemerkungen zu sais. drehen sich doch eigentlich um die Frage, inwiefern das Komponieren als Wahrnehmung und Deutung von Welt zu verstehen ist und folglich reale Ereignisse in klangliche Metaphern umgedeutet werden.
Tatsächlich geht es dem Komponisten um die Nutzbarmachung und Gegenüberstellung zweier konträrer harmonischer Räume, die sich jedoch an einigen Punkten überschneiden: der gleichsam «natürliche» Raum, der auf der Obertonskala über dem tiefen Gis basiert, und der «domestizierte» Klangraum einer temperierten Skala. Indem Lang seine Musik auf Grundlage dieser Ausgangsbedingungen so­wie unter Rückgriff auf strenge Proportionen entwirft, schafft er ein in mehrere Einzelabschnitte unterteiltes, abstraktes ästhetisches Objekt mit einer beachtlichen zeitlicher Ausdehnung von 64 Minuten, das in durchweg ruhigem Duktus auf die unterschiedlichen Qualitäten der beteiligten Instrumente fokussiert. Und wie zu Beginn erweist sich die Musik auch im weiteren Verlauf der Komposition als Kunst feiner Übergänge. Entsprechend stellt der Komponist unterschiedliche Verbindungen und Kombinationen zwischen den drei Musikern und den von ihnen bedienten Klangerzeugern her, vermittelt immer wieder bestimmte Registerlagen miteinander, um dann einzelne Klänge in den Vordergrund treten zu lassen, oder lässt einzelne Phasen des Werks fast ausschließlich von einem der Mitwirkenden dominieren.
Bei allen Reizen der Musik stellt die Beharrlichkeit, mit der Lang bei der Gestaltung großräumig angelegter harmonischer Prozesse verfährt, die Geduld des Zuhörers mehr als einmal auf die Probe. Insbesondere dort, wo kompositorische Bausteine wie die Obertonreihe in klischeehaften Patterns figurativ entfaltet werden, wünscht man sich manchmal etwas rascher über die fraglichen Passagen hinweg. Immerhin kann man sich auch beim Hören solcher Stellen am feinen, filigranen Klavierspiel Sebastian Berwecks erfreuen; und auch die Zurückhaltung, mit der sich Martin Lorenz beim Hervorbringen von Metallklängen gelegentlich an Erik Dreschers Flötentöne anschmiegt, führt zu einigen starken Augenblicken.

Stefan Drees