Signum Quartett – No. 3

Alban Berg: Streichquartett op. 3 (1910) | Béla Bartók: Streichquartett No. 3 (1927) | Alfred Schnittke: Streichquartett No. 3 (1983)

Verlag/Label: Capriccio C5163
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2014/01 , Seite 87

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 4
Booklet: 4

Beim ersten Hören staunt man, dass ein und dasselbe Quartett diese verschiedenen Klangwelten hervorbringt: die schwül-erotische Spätromantik in Alban Bergs Gesellenstück, Bartóks mitunter der Trance nahe rhythmische Energetik und schließlich das an Mahler erinnernde Vexieren zwischen Vertrautem und Apokalyptischem bei Alfred Schnittke. Nach dem außermusikalischen Kriterium «No. 3» zusammengestellt, ergeben diese drei Quartette einen reich interpretierbaren Querschnitt durch das 20. Jahrhundert.
Das Signum Quartett hat allen dreien sein «Siegel» aufgesetzt: Man «riecht» förmlich die mit Gedankenschmalz angereicherte Experimentierfreude, mit der Kerstin Dill, Annette Walther, Xandi van Dijk und Thomas Schmitz jedes Stück Notentext auf seine Klangmöglichkeiten, seine dramaturgischen und musikantischen Impulse und seinen emotionalen Gehalt hin ausloten.
Mit Alban Bergs op. 3 eröffnet ein «unbewältigter Meilenstein der Moderne» (Karl Böhmer) die CD. In der Interpretation des Signum Quartetts klingt das formal intrikate Stück wie ein stimmiger Organismus, der mal trotzt, mal träumt, mal eisig erschauernd in unerreichbare Nähen drängt. Im Vergleich zu anderen Interpretationen besticht hier eine enor­me Tiefenschärfe: zweifellos auch ein Verdienst der Aufnahmetechnik.
Schade, dass der Booklet-Text so knapp gehalten ist und keine verbalen Wegweiser zu interpretatorischen Überlegungen aufstellt. Schade auch, dass in der wunderbar durchhörbaren Aufnahme die attacca ineinander übergehenden Sätze in Bartóks Quartett so hart geschnitten wurden, dass man beim Hören zusammenzuckt.
Doch diese CD lohnt allein schon für die Interpretation von Schnittkes Drittem Streichquartett: In bis zur Atemlosigkeit packender Weise zeichnet das Signum Quartett das Ringen des Komponisten um einen gültigen eigenen Standpunkt auf der Halde der Geschichte nach, die er gründlich durchsucht hat.
In den ersten acht Takten seiner Partitur benennt der 1934 in Engels im damaligen Wolgadeutschland geborene, 1998 in Hamburg gestorbene Alfred Schnittke die drei Zitate, die das Ausgangsmaterial seiner Komposition bilden: «Orlando di Lasso – Stabat mater», «Ludwig v. Beethoven – Quartett N. 16» (obwohl es sich um die Takte 11-13 aus der Großen Fuge op. 133 handelt) und die musikalischen Initialen von Dmitri Schos­takowitsch, d-es-c-h. Wie Schostakowitsch bringt auch Schnittke das Bedrohliche und Unerträgliche seiner Zeit zur Sprache, etwa in unwetterähnlichen Clustergebilden. Das wiederholt auftretende Lasso-Zitat hingegen spielt das Signum Quartett renaissancehaft vibratofrei, wie ein Herunterschlucken von Tränen.
Insgesamt ist diese Interpretation weniger schroff als beispielsweise die des Borodin Quartetts. Eher so, als wollte sie in klassischer Schönheit dazu ermutigen, den fatalen Unstimmigkeiten unserer Zivilisation ins Auge zu sehen.

Doris Kösterke