Tabakova, Dobrinka

String Paths

Verlag/Label: ECM New Series 2239
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2014/01 , Seite 91

Musikalische Wertung: 2
Technische Wertung: 4
Booklet: 3

Sie wolle – so die 1980 in Bulgarien geborene Komponistin Dobrinka Tabakova sinngemäß – die besten Elemente aus den Arbeiten von John Adams, Gavin Bryars, Henryk Mikolaj Górecki, Sofia Gubaidulina und Somei Satoh miteinander verbinden und damit eine Musik schaffen, die etwas zu sagen hat.
Die vorliegende CD lässt daran zweifeln, ob Tabakova dies wirklich geglückt ist: Denn im Grunde tut sie nichts anderes, als schöne Stellen und wohlgefällige Patterns ihrer Vorbilder in kunsthandwerklicher Manier einer kompositorischen Rekombination zu unterziehen. Dadurch schafft sie als Grundlage eine Aneinanderreihung satztechnischer, harmonischer und melodischer Klischees, wie man sie sattsam aus unzähligen schlecht gemachten Arvo Pärt- oder Giya Kancheli-Imitaten kennt, die im Bereich der Filmmusik ihr Unwesen treiben.
Diese Gebilde garniert Tabakova mit Fetzen liturgischer Gesänge (im Streichtrio Insight), mit orientalisch anmutenden Melodieschlenkern (im Trio Frozen River Flows), mit melancholischen Kantilenen (im Concerto für Cello und Streicher) oder auch mit robusteren folkloristischen Akzenten, denen sie in der (unfreiwillig komischen) Suite im Alten Stil simpel arrangierte barocke Satzmodelle gegenüberstellt – wobei in dem einen oder anderen Stück auch noch einige Farbtupfer in Gestalt von Flageoletts oder Glissandi hinzufügt werden. Den Rest überlässt die Komponistin dann dem Produzenten Manfred Eicher, der die Musik adelt, indem er sie in einen leichten Hallraum einbettet und dadurch dem Hörer kaum merklich entrückt.
Trotzdem entfaltet die Platte selbst nach mehrmaligem Anhören nur geringe Reize und mutet über weite Stre­cken wie ein Easy-Listening-Kompendium an, zumal Tabakova (wie das quälend sich dahinschlängelnde Septett Such different paths nahelegt) auch nicht immer ein glückliches Händchen für die kompositorische Gestaltung von Spannungsverläufen und Höhepunkten hat. Immerhin sind die Interpreten voll bei der Sache und agieren mit gut koordiniertem, klanglich abwechslungsreichem und nur bei den satten Klangfarben gelegentlich etwas zu süßlichem Vortrag.
Als mit Abstand überzeugends­tes Stück erweist sich dank einer differenzierten musikalischen Umsetzung das Cellokonzert: Hier überzeugt die Aufnahme nicht nur durch eine klangräumlich gewitzt realisierte Trennung von Solistin (Kristina Blaumane) und Orchester, sondern es lässt sich auch ein starker Gestaltungswille von Seiten der Musiker feststellen, der die vorwiegend aus repetitiven Patterns zusammengefügte und kurz vor Schluss mit einigen kokettierend gesetzten Dissonanzen versehene Musik zusammenhält. Darüber hinaus hinterlassen Tabakovas Werke jedoch kaum tieferen Eindruck – nur das Gefühl, alles schon einmal in ganz anderen Zusammenhängen auf originellere Weise gehört zu haben.

Stefan Drees