Feldman, Morton

String Quartet No. 2

(= Feldman Edition 6)

Verlag/Label: 5 CDs, mode records, mode 112
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2014/05 , Seite 87

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Booklet: 5

Stolze 13 Jahre sind zwischen der Produktion dieser Aufnahme im Jahr 2001 und ihrer aktuellen Veröffentlichung verstrichen. Die Ursache hierfür mag man in dem Umstand suchen, dass erst zwei Jahre zuvor – nämlich 1999 – die behutsam umgesetzte Ersteinspielung durch Mitglieder des Ives Ensembles erschienen war und ein Streichquartett von mehrstündiger Dauer eine zu spezielle Angelegenheit gewesen sein dürfte, um ihm nach so kurzer Zeit bereits eine alternative Interpretation nachfolgen zu lassen. Aus der Distanz betrachtet erweist sich die Wiedergabe durch das FLUX Quartet jedoch als große Bereicherung der inzwischen stark angewachsenen Feldman-Diskografie: Die Unterschiede zur früheren, vier CDs umfassenden Einspielung sind beachtlich und äußern sich bereits darin, dass das Werk nun auf fünf CDs ausgebreitet ist und demgemäß statt fünf Stunden eine Spielzeit von mehr als sechs Stunden aufweist – eine Differenz, die sich daraus erklärt, dass Feldman in seiner Partitur die Tempoangaben der einzelnen Abschnitte nie genau angibt, sondern immer zwischen Minimal- und Maximalwerten ansiedelt, so dass die Musiker entsprechende Gestaltungsspielräume besitzen.
Erstaunliche Unterschiede ergeben sich aber auch in musikalischer Hinsicht: Der Beginn beispielsweise – aus einem unablässig wiederholten Akkord bestehend, dessen Tonhöhen nach einem unvorhersehbarem kombinatorischen Muster von den einzelnen Instrumenten dynamisch variabel gestaltet werden – gerät weitaus stärker artikuliert als beim Ives Ensemble und wirkt dadurch wesentlich plastischer. Angesichts der längeren Spieldauer überrascht es zudem nicht, dass die Musiker des FLUX Quartet Feldmans eigenwillige Klangverbindungen und die daran geknüpften Feinheiten der Intonation manchmal bis zur Neige auskosten sowie die Tempoveränderungen bei Übergängen mitunter stark hervorheben, ohne dadurch jedoch den Fluss der Musik zu gefährden. Darüber hinaus tritt beispielsweise das Moment der Überraschung und die Veränderung von Texturen samt der dabei entstehenden musikalischen Brüche deutlich in den Mittelpunkt. Und schließlich weist auch die klangliche Behandlung der schwierig zu realisierenden Partitur erhebliche Abweichungen auf, da die vier Quartettmusiker oftmals auf das Prinzip der Rauheit und weniger auf den Verschmelzungsgrad von Einzelstimmen setzen.
Wie andere Veröffentlichungen aus der lobenswerten, mittlerweile sieben Teile umfassenden Feldman-Edition bietet das Label mode records das zweite Streichquartett alternativ in einer aus fünf Scheiben bestehenden CD-Version oder einer Version auf Audio-DVD an, die es dem Hörer ermöglicht, das Werk komplett und ohne Unterbrechung abzuspielen. Und wer sich zum ersten Mal mit der Komposition befasst, findet außerdem im Booklet einen hilfreichen Essay des Komponisten Christian Wolff, der sich dem Werk vorbereitend nähert und unterschiedliche Möglichkeiten des hörenden Kennenlernens samt ihrer Erfahrungshorizonte skizziert.

Stefan Drees