Crumb, George

The Complete Makrokosmos I-IV

Verlag/Label: telos music TLS 093
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2012/01 , Seite 81

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 4
Booklet: 4

Ein besonders Ereignis bei der Berliner MaerzMusik 2009 war die Gesamtaufführung von George Crumbs «Makrokosmos» (1972/79), dem vielleicht faszinierendsten und bedeutendsten Klavierzyklus in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: je zwölf «Fantasie-Stücke» in zwei Bänden, die sich am Lauf der Tierkreis-Zeichen orientieren, randvoll mit mystisch-spirituellen Inhalten. Das kann nach Messiaen klingen oder romantische Ahnen heraufbeschwören, traumverhangene Züge annehmen oder in scheppernde Resonanzen versinken. Dafür greift Crumb tief in die Trickkiste klanglicher Verfremdung. Also wird das elektrisch verstärkte Klavier nicht nur präpariert, sondern auch gezupft, gerieben oder gestrichen, müssen die Interpreten summen, sprechen, singen und gelegentlich ein paar gepfiffene Melodien zum Besten geben.
Der Berlin PianoPercussion gelang eine Performance, die Crumbs fantastische Traumbilder aus Geräusch und Ton als perfekte Mischung transzendenter Naturevokation und surrealem Kopfkino präsentierte. Besonders interessant an dieser knisternden Live-Aufnahme aus dem Radialsystem: sie integriert auch die «Music for a Summer Evening» und «Celestial Mechanics» (später als Teil 3 und 4 des Zyklus ausgegeben). Dort werden im Rahmen kosmisch abhebender Nachtmusiken elektronische Verstärkung und Perkussionsbeteiligung noch forciert. Wunderschön unwirklich …

Dirk Wieschollek