Saariaho, Kaija
Trios
Mirage (Kammerversion) / Cloud Trio / Cendres / Je sens un deuxième cur / Serenatas
Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Booklet: 4
Das Schwebende, Atmosphärische, Hypnotische, farbenreich Schillernde vielleicht ist es das, was in Kaija Saariahos Musik unmittelbar berührt. Auch auf dem Album «Trios» der sechzigjährigen Finnin lässt sich dies beobachten, obwohl es scheint, als sei ihre Klangsprache insgesamt dramaturgisch straffer geworden. Dennoch, jedes dieser Trios aus dem Zeitraum von 1998 bis 2009 (gemeinsamer Nenner: das Cello) ist auch als existenzielle Reise hörbar. «Musik ist meine Art, mich dem Göttlichen zu nähern», sagt Saariaho. Spürbar wird dies etwa in «Mirage» (2007), der Kammerversion eines Orchesterstücks, inspiriert von den Trance-Monologen der mexikanischen Schamanen-Heilerin María Sabina: eine magisch changierende Klangwelt, durch die sich der warme, strahlende, lyrische Sopran von Pia Freund (Hauptinterpretin der Salzburger Uraufführung von Saariahos Oper «Lamour de loin» 2000) wie eine überirdische Leuchtspur zieht.
Der Cellist Anssi Karttunnen und die Pianistin Tuija Hakkila zählen zu den Interpreten, mit denen Saariaho immer wieder arbeitet. Sie bilden den Kern des Albums und prägen es mit ihrem speziellen Sinn für das besondere Spannungsverhältnis von Saariahos Musik zur Stille. Statisch, gleitend, aber im Detail intensiv vibrierend so lässt sich auch «Cendres» (1998) beschreiben, das älteste Werk auf der CD, ebenfalls aus einem Orchesterstück entwickelt. Und apropos Stille: Auch die rhythmischen Crescendo-Pulsationen im dritten Satz des «Cloud Trio» (2009) entstehen gleichsam unmerklich aus dem Nichts, huschen vorüber und entschwinden wieder im Unhörbaren.
Ruhig, meditativ, in großen Zügen atmend so beginnt der fünfteilige Zyklus «Je sens un deuxième cur» (2003): Die Satztitel beziehen sich auf die Oper «Adriana Mater», in deren Umfeld das Werk entstanden ist. Die Sätze «Ouvre-moi, vite!» und «Il faut que jentre» reflektieren das Element physischer Gewalt mit peitschenden Clusterschlägen und verstörend ostinaten Angstmotiven mit die heftigste Musik, die Saariaho je geschrieben hat, verklammert durch die dunkel dräuende Grundstimmung des Mittelsatzes «Dans le rêve, elle lattendait».
Musik als atmendes Kontinuum, als meditativ erkundeter, durchträumter Klangraum in diesem Sinne entfalten, ja zelebrieren Anssi Karttunen, Tuija Hakkila und Florent Jodelet (Percussion) auch «Delicato», den Auftakt der fünfsätzigen Suite «Serenatas» (2008). Typisch für den Zauber, die packende Intensität, die Aura jener schwebenden, gleitenden, vibrierenden, spektralistisch beeinflussten Klangräume Saariahos ist vollends «Misterioso» eine geisterhafte Suche mit grollenden Klavierbässen, gespenstischen Glockensounds, geheimnisvollen Glissandi, aus denen sich unmerklich ein betörend funkelnder Nonenakkord herauskristallisiert und wieder schemengleich verschwindet. Kurz, das Spektakuläre findet bei Saariaho auch im Kleinen statt: Musik der Stille, fesselnd interpretiert.
Otto Paul Burkhardt