Pomàrico, Emilio

Trios

Verlag/Label: Edition Zeitklang ez-59057
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2015/01 , Seite 88

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 5
Booklet: 4

Bei den jüngsten Donaueschinger Musiktagen war Emilio Pomàrico – 1953 als Sohn italienischer Eltern in Argentinien geboren – ganz in seinem Element: als charismatischer Di­rigent, der zudem mit einem flammenden Appell für den Erhalt des SWR Sinfonieorchesters Baden-Ba­den und Freiburg eintrat. Ausgestattet mit der Physiologie eines Maestros samt ausladender Gestik und beschwörender Mimik, haftet Pomàrico mehr als ein Hauch von Glamour und «alter Schule» an, der auf dem Feld des Zeitgenössischen nicht gerade selbstverständlich ist. Ein Des­pot am Pult ist er indes nicht, aber eben auch kein nüchterner Technokrat, sondern ein durch und durch beseelter Musiker, der mit jedem Atemzug spüren lässt, dass er eine Vision hat. Und das gilt ebenso für den Komponisten Pomàrico. Wie einst bei Gustav Mahler, bleiben ihm nur die Sommermonate für das Schöpferische – «wenn ich aber Zeit zum Komponieren habe, dann fließt es mit Leichtigkeit». Auf der anderen Seite berichtet er jedoch, ebenfalls im CD-Booklet, von ebenso produktiven wie schwierigen Auseinandersetzungen mit dem musikalischen Material; statt für hohen Output zu sorgen, versenkt er sich tief in klanggestalterische Prozesse.
Die drei Werke, zwei Streichtrios und ein Bläsertrio, interpretiert als Ersteinspielungen vom ensemble recherche, umspannen einen Zeitraum von gut zehn Jahren, beginnend mit den Nachtfragmenten von 1995/98. Wie der Titel ahnen lässt, reihte Pomàrico (sieben) knapp disponierte Sätze aneinander, die er in immer neuen Anläufen aus groß angelegten Entwürfen herausdestillierte. Als er dann noch feststellte, dass sein «endlich geglückter Versuch vom 15. September 1995 datiert» und mit dem 50. Todestag von Anton Webern zusammenfiel, widmete er sein «bisher einziges aphoristisches Stück diesem großen und zarten Dichter». In der Tat zeigt sich Pomàrico in den Nachtfragmenten, ohne Webern zu imitieren, ebenfalls als ein Meister konzentrierter Verdichtung und klangsinnlicher Verinnerlichung, nicht zuletzt dank des kongenialen Zugriffs von Melise Mellinger (Violine), Barbara Maurer (Viola) und Asa Akerberg (Violoncello), dem Streichtrio des ensemble recherche.
An die Transformation seelischer Zustände gemahnt auch Pomàricos zweisätziges Bläsertrio ombre tenui, inquiete parole von 1996/97. Martin Fahlenbock (Flöte), Jaime González (Oboe) und Shizuyo Oka (Bass­klarinette) stehen dem Streichtrio in nichts nach: vom «nervösen», immer wieder in Lethargie zurückfallenden Tänzeln im Allegro bis zur kontemplativen Loslösung von den Fesseln jeglicher Erdenschwere im Adagio.
Epische Dimensionen weist dann das Trio per Archi (Quaderno Giallo) von 2006 auf, das von Texten des walisischen Dichters Dylan Thomas inspiriert ist – allerdings weniger vom semantischen Gehalt der Worte als von der Textstruktur. Konstruiert hat Pomàrico es als ein Wechselbad der Farben, Formen und Empfindungen, hinter dem auch seine bis zu Romantik und Zweiter Wiener Schule zurückreichenden musikalischen An­knüpfungspunkte aufscheinen.

Egbert Hiller