Underwater Princess Waltz
A Collection of one Page-Pieces by John Ford, Alvin Curran, Nick and Leo Didkovsky, Christian Wolff, Larry Polansky, Clint McCallum, Daniel Goode, Earle Brown and Karl H. Berger
Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 4
Booklet: 4
Was für eine schöne Idee! Das belgische Gitarrenquartett ZWERM spielt Kompositionen, die nur auf einer Seite notiert worden sind. Die Einseiter erlauben den Musikern diverse Interpretationsfreiheiten. Sie sind nicht determiniert. Offene Stücke, bestehend aus grafischen Partituren, Textanweisungen oder konventioneller Notation, stehen auf dem Programm.
Besonders unterhaltsam ist Nick Didkovskys Mayhem (the hammer / the arrow / the blade), das auf einer Zeichnung seines Sohnes basiert. Zu sehen sind fantastische Gestalten: Skelette, Drachen und Gespenster bekriegen sich mit Hämmern, Messern und Pfeilen ein brutales Szenario, das ZWERM mit kurzen akustischen Impressionen abbilden. Bei the hammer dominiert ein stampfender Rhythmus. Begleitet wird er von chaotischen Tonclustern. The arrow erinnert an einen Western-Soundtrack. Man hört ein Banjo, verhallte Gitarrenmelodien und diverse Geräusche, deren Pfeilartigkeit sich allerdings nicht erschließt. Bei the blade servieren ZWERM schnittige Thrash-Metal-Riffs mit plötzlichem Ende. Schön.
Humorvoll geht es in dem Stück The Red and White Cows zu, das von Daniel Goode komponiert wurde. Eine Stimme, die aufgrund ihres starken Südstaatenakzents an einen amerikanischen Redneck erinnert, stellt ein mathematisches Problem vor, das von ZWERM musikalisch gelöst wird. Goode schrieb das Stück zu einer Zeit, in der er viel mit Tom Johnson zu tun hatte, dessen Einfluss unüberhörbar ist. Das Gitarrenquartett navigiert sich durch musikalische Miniaturen mit starkem Blues-Einschlag und steuert präzise Klangmuster an, die von diversen Sampels begleitet werden.
Auf Underwater Princess Waltz gibt es noch viel mehr zu hören. Eine Seite aus Christian Wolffs Komposition Burdocks zum Beispiel, die das Quartett mit Verstärkung von Saxofon, Perkussion und Elektronik eindrucksvoll interpretiert. Auffällig sind die starken dynamischen Schwankungen, plötzlich auftretende Tontrauben und minimalistische Geräuschcollagen, die sehr detailreich gestaltet worden sind. Beenden tun ZWERM ihre abenteuerliche Erkundung mit einer Komposition von Karl H. Berger. Diesmal werden sie von Orgel und Schlagzeug begleitet. Ein Chor singt den Satz «Quite some time goes by», der in unterschiedlichen Variationen intoniert wird. Das Stück orientiert sich an der Form eines Loops, der zu Beginn ausschließlich aus Orgelakkorden und Vocals besteht und zunehmend verdichtet wird, bis alles in einer Kakophonie aus Gitarrensolos, elektronisch vervielfachten Stimmen und frei fließenden Schlagzeugrhythmen endet.
ZWERM demonstrieren, dass in einer einzigen Seite mehr drinsteckt, als man zunächst vermuten würde. Kreativität wird durch die Beschränkung nicht eingeengt im Gegenteil: Sie kommt dadurch völlig zum Blühen.
Raphael Smarzoch