Penderecki, Krzysztof
Viola Concerto | Cello Concerto No. 2
Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Booklet: 2
Mitte der 1970er Jahre hatte Krzysztof Penderecki den Kreislauf um «nahezu identische kompositorische Bezugspunkte» wohl selbst als derart beengend empfunden, dass er sich davon zu befreien suchte. Wobei ihm seine unverhohlene Liebe zu Tschaikowsky, die auf Bruckner, Sibelius und Schostakowitsch, sogar auf Wagner übersprang, die Richtung wies: zurück in die Zukunft.
Ulrich Dibelius sprach 1988 von einer «neu ererbten klangschwelgerischen Breitspurigkeit», als deren Gefäß sich nicht zuletzt die Gattung anbot, der sich Penderecki im Hinblick auf befreundete Solisten immer wieder mit Leidenschaft zuwandte: das Instrumentalkonzert. Belegstücke sind unter anderem das für Mstislav Rostropowitsch geschriebene und von ihm uraufgeführte, emotional aufgewühlte zweite Violoncellokonzert (1982) und das knapper gefasste, distinguierter anmutende Violakonzert (1983), dessen Kammerorchester-Version für den russischen Geigenvirtuosen Grigori Zhislin entstand, den Penderecki zum Bratschenspiel verführte. Deutlicher als das Cellokonzert bezeugt es eine pluralistische Stilhaltung: das Bestreben des Komponisten, die Schroffheiten der avantgardistischen «Sturm und Drang»-Jahre mit den Annehmlichkeiten tönender Innerlichkeit zu verbinden und zu versöhnen. Ausgleich statt Ausgriff so hätte die ästhetische Maxime lauten können.
Ein nachdenklicher Monolog des Solisten leitet das Bratschenkonzert ein («Lento»). Die zweite, «Vivace» überschriebene Solopassage wirkt demonstrativer und führt eine hitzige Diskussion mit den Blechbläsern herbei. Während sie sich zum «Meno mosso» beruhigt, setzt sich der Solist mit gestimmten Schlaginstrumenten und den tieferen Streichern auseinander, bevor Holzbläser und Schlagwerk der Musik eine scherzhafte Wendung geben. Ihr entspringt eine lebhafte Episode, die bald in die Gelassenheit des Werkbeginns zurückfindet («Tempo I»). Ein dritter, martialischer «Vivo»-Teil markiert quasi die Peripetie des siebenteiligen Klangdramas, das folgerichtig in eine schlussbildende Ruhezone ausmündet.
Mit der Tonsprache des Polen innig vertraut, bieten der aus St. Petersburg stammende Geiger und Bratscher Grigori Zhislin, Professor am Londoner Royal College of Music, und Pendereckis polnischer Landsmann und Schüler Antoni Wit, künstlerischer Direktor der Warschauer Philharmonie, ein einzigartiges Hörerlebnis, indem sie die brückenförmige Dramaturgie und das rhetorische Potenzial des Werks feinnervig ausschöpfen.
Nicht minder erfüllend das atemberaubende Saitenspiel der russischen Cello-Virtuosin Tatjana Vassiljeva, die unter anderem bei David Geringas studierte. Umflirtet, konterkariert oder auch ins Gebet genommen von den Warschauer Philharmonikern unter Antoni Wit, erklärt sie Pendereckis zweites Cellokonzert zu dem, was es ist: geistreich virtuoser Wettstreit zwischen Solist und Orchestergruppen, Kursbuch instrumentaler Redekunst und Wechselbad der Stimmungen und Affekte. Wobei die formale Gliederung des durchkomponierten Stücks dem Aufriss des Violakonzerts ähnelt. Bedauerlicherweise liegt das Booklet nur in englischer Sprache vor.
Lutz Lesle