Abrahamsen, Hans

/Walden/Wald/

Verlag/Label: Winter & Winter W&W 910 203 2
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2014/01 , Seite 88

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 5
Booklet: 3

Hans Abrahamsen, Jahrgang 1952, zählt zu den tonangebenden dänischen Komponisten der Gegenwart. Sein Frühwerk steht im Zeichen der «neuen Einfachheit», doch wird seine Musik bei aller Knappheit und Ökonomie immer vielschichtiger und mehrdeutiger. Das Bläserquintett Wal­den (rev. 1995) – hier mit Rohrblattinstrumenten besetzt – leitet seinen Namen von den Aufzeichnungen Walden or Life in the Woods des amerikanischen Transzendentalphilosophen Henry David Thoreau her, der sich 1845 eine Blockhütte am See Walden Pond in Massachusetts zimmerte. Die vier knapp gehaltenen Quintett-Sätze erinnern ein wenig an konkrete Malerei. Halb­erstickte erratische Rufe punktieren den zweiten, elfenromantisches Gelichter (Volksweisen in unterschiedlichen Tempi und Tonarten) durchzieht den letzten – fein ausbalanciert vom Amsterdamer Calefax Reed Quintet.
Das durchkomponierte Ensemblestück Wald (2009), säuberlich ausgestanzt und vorgetragen vom niederländischen Asko|Schönberg Ensemble, ist eine Art Variationsreihe über den Beginn des Bläserquintetts Walden. Sie bezeugt die tonbildnerische Meisterschaft, die Abrahamsen inzwischen erlangte – nicht zuletzt in der Erkundung unerhörter Basswelten. Ohrenweitende «Musique concrète» aus deutschem Mischwald rahmt die komponierten «Waldszenen». Statt erläuternder Texte bietet das Album sechs blaugrünfarbene «Wald-Variationen» des dänischen Multikünstlers Per Kirkeby.

Lutz Lesle