Nishikaze, Makiko

walking, north, north

Verlag/Label: Wergo artist.cd ARTS 8118 2
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2010/01 , Seite 86

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 5
Repertoirewert: 4
Booklet: 3
Gesamtwertung: 4

 

Dieses Porträt der japanischen Komponistin, Pianistin und Performancekünstlerin Makiko Nishikaze, einst Schülerin von Alvin Curran und Walter Zimmermann, verdankt sich mit drei klangfreudigen Solostücken und einem Duo der langjährigen Zusammenarbeit der Komponistin mit dem Ensemble L’Art pour L’Art. Der umtriebigen Formation mit ihrem denkbar vielseitigen Spektrum zwischen avancierter Komposition, Improvi­sation, spartenübergreifender Performance und Kinderprojekt (aktuell von der Niedersächsischen Sparkassenstiftung mit dem «Förderpreis Musikvermittlung» gewürdigt) ist die Musik von Makiko Nishikaze geradezu auf den Leib geschnitten, taucht diese doch mit typisch asiatisch gefärbter Ausdauer und Intimität in die sinnliche Unmittelbarkeit des Klangs ab.
wind, near you (1999) für Schlagzeug präsentiert da naturgemäß keine perkussiven Klangstürme, sondern scheint als sphärisch-flächiges Farbspiel ganz der Bewegung des Windes abgelauscht. Matthias Kaul ist natürlich ein Glücksfall für diese gelassene Klangwelt am Rande der Stille, da er als erfahrener Improvisator und erprobter Interpret der amerikanischen Avantgarde genau weiß, wie viel Raum solche «Naturlaute» benötigen, um ihre Wirkung zu entfalten.
Ganz ähnliche Ideen elementa-rer Klangproduktion inspirierten das Querflöten-Solo sanctus (2000), von Astrid Schmeling auf einer Bassflöte realisiert, das die Verfahren der Tonerzeugung zum integralen Bestand-teil werden lässt: «Luft» als elemen­tares Medium im Zwischenreich von Ton und Geräusch, Instrument und Körper.
Eine besonders eindringliche Ruhe atmet das Duo walking, north, north (2001), während eines Stipendienaufenthalts im Künstlerdorf Schreyahn entstanden und zweifellos das bemerkenswerteste Stück dieser Einspielung. Obwohl diese raumgreifende Meditation für Perkussion und Flöte sich keineswegs als «narrative Schilderung einer Winterlandschaft, sondern [als] ein Strömen von Klang und Stille» (Nishikaze) begreift, erscheint es dennoch wie eine frostklirrende Impression konzentrierter Einsamkeit. Als hätte die derzeit in Berlin lebende Komponistin hier tief in die winter­liche Natur hineingehorcht und die Elemente selbst sprechen lassen, inszenieren Kaul und Schmeling ein kontemplatives Naturbild ohne Kitsch und spirituelle Plakativität.
In St. Michael’s garden (2004) schließlich kommt auch Gitarrist Michael Schröder zu Wort, der aus einem begrenzten Ausgangsmaterial mit melancholischer Zurückhaltung ungeahnte Klangräume formt. «Die Bahn dieser Komposition ist unvorhersehbar», sagt Makiko Nishikaze, «sie ist wie ein himmlischer Garten – ein Garten, den man sich zwar vorstellen kann, den man aber nie zuvor besucht hat.»

Dirk Wieschollek