Yun, Isang

Werke IX

Etüden für Flöte solo I + II | Gasa für Violine und Klavier | Gasa, Triofassung | Quintett für Flöte und Streichquartett

Verlag/Label: Isang Yun Gesellschaft IYG 009
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2014/02 , Seite 87

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 4
Booklet: 2

Die aktuelle Neuerscheinung der Internationalen Isang Yun Gesellschaft kompiliert eine Aufnahme des Quintetts für Flöte und Streichquartett von 1987 mit drei Aufnahmen neueren Datums kleiner besetzter Kammermusikwerke, darunter eine Uraufführung. Als Thema der schlicht mit Werke IX betitelten Scheibe könnten Verflechtungen der für Yun so typischen «Haupttontechnik», die hier vor allem bei solierenden Holzbläsern zum Einsatz kommt, mit biografischen Bezügen gedient haben.
In den Etüden für Flöte bzw. Altflöte solo (beide 1974) ist das Klangbild stark durch die Technik mit ihren lang ausgehaltenen Tönen geprägt. Lebhafte Auf- und Niederschwünge rahmen in Etüde I die Liegetöne ein, die wiederum mit changierendem Vibrato und kräftigem forte einen enormen Klangreichtum im mikrotonalen Bereich offenbaren. In Etüde II ist die Dynamik an die Grenze der Hörbarkeit gerückt und die Töne werden um ein Vielfaches länger ausgehalten, während sich die Lautstärke zwischen vierfachem und einfachem piano bewegt. Wie die filigranen, verwischten Zwi­schenbewegungen immer wieder ihren Zielton finden und dort zur Auflösung gelangen, gleicht einer meditativen Atmung.
Gasa orientiert sich an der gleichnamigen dreigliedrigen Gesangsform aus dem Korea des 16. Jahrhunderts. Der Name kann auch als «Lied-Wor­te» übersetzt werden und bezeichnet wohl ursprünglich eine literarische Gattung, die aber vermehrt musikalisch rezipiert wurde. 1963 als Duo für Violine und Klavier entstanden, imitiert Yun in der Violinstimme den eigentümlichen Gestus des Gasa-Gesangs, der von Ambiguität bestimmt ist: Aus ausgeglichener Kantabilität gleitet er ohne Zwischenschritt in schnelle dissonante Läufe, verrennt sich in kleinteiligen Kaskaden und formuliert dann wieder eloquente Tiraden. Der Geiger Hansheinz Schneeberger sah den Klavierpart zu Unrecht unterrepräsentiert und instrumentierte das Werk für erweitertes Trio mit Celesta, Cimbalom und Schlagzeug. Entstanden ist eine an klanglicher Intensität reichere Version von Gasa, die sich auf der CD wunderbar ergänzend hören lässt.
Im dreisätzigen Quintett für Flöte und Streichquartett von 1986 verschmelzen Aspekte aus Yuns kompositorischen Ideen und seiner Biografie. Der erste, mit «Moderato» überschriebene Satz, gleicht in Aufbau und Gestus der Etüde I für Flöte solo und ordnet sie gleichzeitig in einen neuen Kontext ein – hier nun bildet die Haupttontechnik eine Art Introi­tus für den zweiten Satz des Quintetts, ein dunkles «Adagio» mit solistischer Altflöte, das Yuns Gefangenschaft in Korea Ende der 1960er Jahre thematisiert. Das abschließende «Allegro» weist im Gegenzug in seiner Versöhnung von Haupttontechnik und Elementen des «Adagios» tanzartig und verspielt in die Zukunft.

Patrick Klingenschmitt