XX/XXI.

CDs des Ensemble Modern [2]: Werke von Witold Lutoslawski, Leoš Janácek, Anastasio Mitropoulos und Béla Bartók

Verlag/Label: EMCD-015
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2012/01 , Seite 85

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Booklet: 5

Mit schöner Regelmäßigkeit bietet das Ensemble Modern auf dem hauseigenen Label seinen Mitgliedern die Mög­lichkeit, sich auch solistisch in Szene zu setzen. Schließlich sind Neue Musik-Formationen Kollektive versierter Individualisten, deren vielfältige musikalische Horizonte den Perspektivenreichtum eines Ensembles erst ermöglichen. Jetzt sind es Rafael Zambrzycki-Payne (Violine), Eva Böcker (Violoncello) und Uwe Dierksen (Posaune), die ihre Eloquenz unter Beweis stellen dürfen, ohne dass hier artistische Show-Programme schnelle Kasse machen sollen. Stattdessen gibt es reichlich interessante Musik, die über das Format gängiger Instrumental-Monologe weit hinausgeht und elektronische Mittel dabei ebenso einbezieht wie die menschliche Stimme.
Verglichen mit Böckers «multimedialer» Tour de force nimmt sich das Programm von Rafael Zambrzycki-Payne fast schon traditionell aus und enthält einige Klassiker des modernen Violin-Repertoires, wunderbare Musik allenthalben: die Sonaten für Violine und Klavier von Janácek, Bartók und Lutoslawski prägen geradezu eine osteuropäische Traditionslinie aus, die in Lutoslawskis «Partita» von 1984 Anknüpfung und Übersteigerung zugleich findet. Zusammen mit Kollege Ueli Wiget lässt der polnische Geiger hier impressionistische Farbvaleurs ebenso wenig zu kurz kommen wie schlichte Volkstümlichkeit und zerrissene Dramatik. Eigens für diese Produktion komponiert wurde «Ea1» für Violine solo von Anastasio Mitropoulos, das in der Begeisterung für alte Letraset-Schrifttypen seinen Ausgang nahm und aus Variationen einer siebentaktigen Akkordverschiebung besteht. Verglichen mit der Emotionalität der Sonaten ist dies eine fast schon kapriziös-verspielte Auseinandersetzung mit harmonischer Bewegung.

Dirk Wieschollek